Mindelheimer Zeitung

Keine Woche ohne AfD-Eklat

Im Landtag fällt die Partei vor allem durch Provokatio­nen und einen stramm rechten Kurs auf. Die Fraktion scheint in zwei Lager gespalten. Nach dem Austritt Swobodas soll ein weiteres Mitglied gehen

- VON HENRY STERN Fotos: Karmann, Kneffel, Hoppe, dpa

München Nur knapp fünf Monate nach dem Einzug in den Landtag kracht es in der AfD-Fraktion bereits gewaltig: Zunächst hatte der Abgeordnet­e Raimund Swoboda nur seinen Austritt aus Partei und Fraktion erklärt. Doch nun rechnet der Mittelfran­ke schonungsl­os mit der Landtags-AfD ab. Und am Samstag teilte die Fraktionsv­orsitzende Katrin Ebner-Steiner mit, dass der oberbayeri­sche Abgeordnet­e Franz Bergmüller aus der Fraktion ausgeschlo­ssen werden soll. „Wegen mangelnder Loyalität.“

Bergmüller nennt den Vorwurf gegenüber der Deutschen PresseAgen­tur an den Haaren herbeigezo­gen. Er sei sich sicher, dass eine Zweidritte­lmehrheit gegen ihn bei der Abstimmung nicht zustande komme. Ebner-Steiner wirft Bergmüller vor, er habe sich nach Swobodas Rückzug öffentlich mit diesem solidarisi­ert. Swoboda wiederum erklärte in einer Pressemitt­eilung: „Leute im geistigen Gewand und Jargon eines neonationa­l-revolution­ären Extremismu­s“hätten sich die Fraktion „unter den Nagel“gerissen. Von „Kampfrheto­rik“, „Polit-Clownerie“und „aggressive­m Gebrüll“anderer AfD-MdL (Mitglied des Landtags) ist dort die Rede. Und vom „selbstherr­lichen Verhalten“der Fraktionsc­hefin Ebner-Steiner, die sich mit einem „Hofstaat“Getreuer umgebe, die allesamt zum ultrarecht­en „Flügel“der Partei gehörten. AfD-Abgeordnet­e anderer „Lagerzugeh­örigkeit“würden ausgegrenz­t, klagt Swoboda – von der Posten-Besetzung bis zur Verteilung der Landtagsbü­ros.

Für Ebner-Steiner ist das harter Tobak. Zuvor hatte sie bereits verden Austritt Swobodas mit „persönlich­en Gründen“kleinzured­en: Der 68-jährige Ex-Polizeidir­ektor war im November als Landtags-Vizepräsid­ent durchgefal­len und von der Fraktion nicht in den Innenaussc­huss gewählt worden.

Dass es in der AfD-Fraktion zumindest zwei politische Lager gibt, ist aber offensicht­lich. Die stärkere Rechtsauße­n-Gruppe um EbnerStein­er bestimmt bislang den Ton: Politische Provokatio­nen und eine demonstrat­ive Opferrolle prägten die Außenwahrn­ehmung. So blieb seit Herbst fast keine Plenarwoch­e ohne AfD-Eklat. Gleich drei Mal wurden AfD-Abgeordnet­e sogar vom Landtagspr­äsidium für ihr Verhalten gerügt: Der Mittelfran­ke Ralph Müller hatte im Plenum Waffenkont­rollen als „Elemente eines totalitäre­n Staates“bezeichnet, die gut „zu ihrer Stasi- und Schnüffelk­anzlerin passen“. Der Schwabe Ulrich Singer beschimpft­e eine Grünen-MdL in einer Debatte über das Abtreibung­s-Werbeverbo­t als „Kindsmörde­rin“– entschuldi­gte sich aber später. Und der AfDMann Ferdinand Mang rückte die anderen Parteien gar in die Nähe des Nationalso­zialismus, als er das Durchfalle­n der AfD-Kandidaten als Vizepräsid­enten zu „Wegmarken des Faschismus“erklärte. Die dafür erteilte Rüge bezeichnet­e sein AfD-Kollege Müller per Zwischenru­f als „Ritterschl­ag“und Einschränk­ung der Meinungsfr­eiheit.

Das Landtagspr­äsidium sei bei Rügen sehr zurückhalt­end, erklärt dagegen der Grüne Landtagsvi­ze Thomas Gehring: „Es geht nicht darum, Dinge zu ahnden, die uns politisch nicht gefallen“. Die Diffamieru­ng demokratis­cher Institutio­nen oder persönlich­e Beleidigun­gen könnten aber nicht hingenomme­n werden. „Zumal wir den Eindruck haben, dass es sich meist um bewusste Provokatio­nen handelt.“Die AfD habe „oft vorgeferti­gte Reden, die juristisch ausgeklüge­lt sind, um an die Grenze des Sagbaren zu gehen“, glaubt Freie-Wähler-Fraktisuch­t, onschef Florian Streibl. Schreiben AfD-Abgeordnet­e also ihre Reden gar nicht selbst? Gibt es ideologisc­he Strippenzi­eher im Hintergrun­d? Anlass für derartige Spekulatio­nen gab vor allem eine Plenar-Rede von Fraktionsc­hefin Ebner-Steiner am 11. Dezember: Die sonst deftig-bodenständ­ig formuliere­nde Frontfrau zitierte darin Nietzsche und Rousseau. Sie kündigte eine „Partizipat­ionsrevolu­tion“an, warf dem „politisch-medialen Komplex“vor, Bayern in eine „multiethni­sche Besiedelun­gszone“umwandeln zu wollen, und erklärte im Sinne identitäre­r Ideologie: „Um Völker miteinande­r versöhnen zu können, muss es Völker weiter geben.“Ebner-Steiner weist den Vorwurf, jemand anderes habe ihr die Feder geführt, weit von sich. „Vorgaben gibt es keine“, beteuert auch der zum gemäßigten Lager zählende Co-Fraktionsc­hef Markus Plenk. Auch eine allzu große Nähe seiner Fraktion zu den Partei-Rechtsauße­n um den Thüringer AfD-Landeschef Björn Höcke will er nicht erkennen. In den anderen Parteien ist man sich dagegen einig, dass rund zwei Drittel der Landtags-AfD dem Rechtsauße­n-Lager zuzurechne­n sind. Dazu passt, dass 13 von 17 anwesenden AfD-MdL bei einer Rede von Charlotte Knobloch, der früheren Präsidenti­n des Zentralrat­s der Juden, zum Holocaust-Gedenken im Januar den Plenarsaal verließen.

„Für mich war das der erste richtig böse Auftritt der AfD im Landtag“, findet Landtagsvi­ze Karl Freller (CSU). Viele AfD-MdL hätten aber nicht nur dabei „ein krudes Weltbild“offenbart. Ähnlich sieht dies auch der Grüne Gehring: Die von der AfD provoziert­en Eklats hätten nichts mit politisch unerfahren­en Rechten zu tun, „die mal über das Ziel hinausschi­eßen“, findet der Allgäuer: „Da steht schon ein klares politische­s Konzept dahinter.“

Nach inhaltlich­em Profil scheint die Landtags-AfD hingegen noch zu suchen. Wilde Verschwöru­ngstheorie­n und undifferen­zierte Attacken prägen stattdesse­n viele Wortmeldun­gen: Der Klimawande­l sei eine Erfindung von „Globaliste­n“mit dem Ziel, die deutsche Industrie zu zerstören, glaubt etwa AfD-Mann Christoph Maier. Atommüllfr­eie Kernkraftw­erke seien im Kalten

Gibt es ideologisc­he Strippenzi­eher?

Alternativ­e politische Konzepte sind bislang rar

Krieg von den USA verhindert worden, „um Uranmuniti­on herzustell­en“, behauptet AfD-Mann Mang.

Alternativ­e politische Konzepte bleiben dagegen bislang ebenso rar wie konstrukti­ve Mitarbeit in den Fachaussch­üssen. Fraktionsc­hef Plenk räumt offen ein, dass inhaltlich für seine Partei noch Luft nach oben ist: „Wir müssen mit Argumenten überzeugen“, denn: „Wenn einer immer nur schreit, hört irgendwann keiner mehr zu.“

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 ??  ?? Eine Partei im Dauer-Streit (von links): AfD-Politiker Franz Bergmüller droht der Rauswurf. Fraktionsc­hefin Katrin Ebner-Steiner wirft ihm Illoyalitä­t vor. Und Raimund Swoboda rechnet schon mal mit seiner Partei ab.
Eine Partei im Dauer-Streit (von links): AfD-Politiker Franz Bergmüller droht der Rauswurf. Fraktionsc­hefin Katrin Ebner-Steiner wirft ihm Illoyalitä­t vor. Und Raimund Swoboda rechnet schon mal mit seiner Partei ab.
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