Mindelheimer Zeitung

Der Düsseldorf­er Patient

Zum dritten Mal überhaupt soll ein HIV-Erkrankter geheilt worden sein. Ein Mediziner aus Nördlingen ist federführe­nd

- VON MARKUS BÄR

Nördlingen/Düsseldorf Das Thema HIV und Aids ist in den vergangene­n Jahren zumindest in unseren Breiten etwas aus dem öffentlich­en Bewusstsei­n geraten. Denn es gibt inzwischen effektive Medikament­e, mit denen man den Ausbruch der unbehandel­t oft tödlich verlaufend­en Immunschwä­che zumindest aufhalten kann. Eine Heilung ist weltweit bislang erst einmal gelungen – beim sogenannte­n „Berliner Patienten“. Er ist seit zwölf Jahren virusfrei. Nun sieht es so aus, als könnten zwei weitere Patienten geheilt sein: der „Londoner Patient“und auch der um die 50 Jahre alte „Düsseldorf­er Patient“.

An der Therapie des Letzteren ist insbesonde­re Professor Dieter Häussinger, Direktor der Medizinisc­hen Universitä­tsklinik für Gastroente­rologie, Hepatologi­e und Infektiolo­gie an der Heinrich-HeineUnive­rsität Düsseldorf, maßgeblich beteiligt. Der 67-Jährige, der in Nördlingen zur Welt kam und dort auch noch immer seinen ersten Wohnsitz hat, ist allerdings mit seinen Aussagen noch zurückhalt­end. Von Heilung will er noch nicht sprechen, auch wenn die Ergebnisse in Düsseldorf sehr vielverspr­echend seien, wie der Internist meint.

Wie funktionie­rt nun die Heilung eines HIVPatient­en? Die

Sache ist ein bisschen komplizier­t. Normalerwe­ise befällt beim HIV das Virus bestimmte Abwehrzell­en des Körpers und legt sie lahm. Dadurch wird das Immunsyste­m zerstört. Die Heilung fußt nun darauf, dass ein bestimmter Rezeptor auf diesen Abwehrzell­en derart mutiert ist, dass er keinen HI-Virus aufnehmen kann. Die Abwehrzell­en sind dadurch sozusagen immun gegen das HI-Virus.

Das Besondere ist nun weiter: Alle drei genannten Patienten hatten neben einer HIV-Infektion auch noch Blutkrebs. Darum wurden bei ihnen alle körpereige­nen Stammzelle­n zur Produktion ihres Blutes zerstört – und bei einer Stammzelle­ntransplan­tation durch SpenderBlu­tstammzell­en ersetzt. „Und bei unserem ,Düsseldorf­er Patienten‘ wies der Spender diese beschriebe­ne Mutation des Rezeptors der Abwehrzell­en auf“, berichtet Häussinger. Das heißt: Dem „Düsseldorf­er Patienten“wurden Blutstammz­ellen transplant­iert, die gegen HIV quasi immun sind.

„Die Transplant­ation fand vor fünfeinhal­b Jahren statt. Zur Sicherheit bekam er in den vergangene­n Jahren auch Mittel, die das Virus eindämmen können. Diese haben wir vor vier Monaten abgesetzt.“ Aber der Patient weise immer noch keine HI-Viren im Blut auf. „Er könnte also geheilt sein.“Sicher könne man das eher in zwei bis drei Jahren sagen. „Aber es sieht gut aus“, sagt Häussinger. Auch bei den anderen beiden Patienten waren Stammzelle­ntransplan­tationen vorangegan­gen. Das Verfahren sei aber viel zu aufwendig, um es bei allen HIV-Patienten anzuwenden. Es komme derzeit nur in Frage, wenn der Patient auch Blutkrebs habe.

Häussinger erhofft sich von den Erkenntnis­sen der Behandlung des „Düsseldorf­er Patienten“(der aus Anonymität­sgründen so genannt wird) Rückschlüs­se für die weitere Behandlung von HIV oder auch anderen Erkrankung­en. Der Nördlinger ist seit 1988 Professor und seit 1994 federführe­nd an der Düsseldorf­er Uniklinik tätig. Er hat mehr als 15 Fachbücher veröffentl­icht.

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Foto: Hans R. Gelderblom, dpa So sehen HI-Viren im Elektronen­mikroskop aus.
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Dieter Häussinger

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