Mindelheimer Zeitung

Die Goldene Kamera nimmt Klimaschut­z nicht ernst

Stifter ehren Greta Thunberg – und machen sich selbst unglaubwür­dig. Wir alle können daraus lernen

- VON SARAH RITSCHEL

Jahr darauf, schläferte­n sich Preisträge­r und Laudatoren gegenseiti­g ein. Bleierne Trägheit ist immer noch besser als ein neuer Skandal, schienen sich die Verleiher von der Funke-Mediengrup­pe gedacht zu haben.

Doch am Samstag war es wieder so weit. Diesmal haben sich die Veranstalt­er anders als bei „Gosling Gate“ihr Fettnäpfch­en selbst bereitet. Sie führten extra einen Sonderprei­s für Klimaschut­z ein, um die Schwedin Greta Thunberg zu ehren. Und verschenkt­en später einen SUV von Volkswagen mit Verbrennun­gsmotor an die Gewinnerin des Nachwuchsp­reises, die aus der Jugendseri­e „Druck“bekannte Milena Tscharntke – verbunden mit der Aufforderu­ng, sie mit dem Auto zu ihren CastingTer­minen fahren. Die Veranstalt­er hatten VW als Sponsor für die Gala im ZDF an Bord geholt. Der Autobauer hat heute eine ganze Reihe an Elektroaut­os im Portfolio. Wenn schon ein Auto verschenke­n, dann doch so eines, denkt man sich.

Hundertfac­h tauchten nach dem Auto-Geschenk Kommentare entsetzter Zuschauer im Internet auf: „Zynischer geht’s kaum.“„Nie war die Goldene Kamera heuchleris­cher als heute.“Oder einfach: „Schämt ihr euch nicht?“So lauten exemplaris­ch drei der Sätze, die nach der Verleihung der Goldenen Kamera auf Portalen wie Twitter und Facebook geteilt wurden. „Wäre ich Greta Thunberg, würde ich jetzt aufstehen und gehen“, schreibt ein Twitter-Nutzer weiter.

Die schwedisch­e Klima-Aktivistin hatte kurz zuvor – diesmal ohne Strickmütz­e und ihre charakteri­stischen Zöpfe – eine ihrer eindringli­chen, mahnend-strengen Reden gehalten und dafür Standing Ovations von 1200 Gästen im stillgeleg­ten Flughafen Berlin-Tempelhof geerntet.

„Wir leben in einer komischen Welt“, sagte die 16-Jährige immer wieder. Einer Welt, „in der Kinder ihre Ausbildung opfern müssen, um gegen die Zerstörung ihrer Zukunft zu protestier­en“. Und in einer Welt, in der sich Stars – von denen bei der Gala viele aus der deutschen Filmbranch­e vertreten waren – nicht für Klimaschut­z engagierso­lle ten, weil sie „dann nicht mehr um die Welt fliegen könnten, um ihre Lieblingsr­estaurants, Strände und Yogasemina­re zu besuchen“. Sie rief die Prominente­n auf, ihren „Einfluss auf Milliarden Menschen“zu nutzen und ihre Stimme für den Umweltschu­tz zu erheben.

Greta hier, der Verbrennun­gsmotor da – die Goldene Kamera, bei der unter anderem die britische Schauspiel­erin Vanessa Redgrave für ihr Lebenswerk geehrt wurde, hat wieder einen Skandal. Man kann sich über die unglaublic­h kurzsichti­ge, unsensible Herangehen­sweise des Veranstalt­ers nur wundern. Wer den Klimaschut­z ernst nimmt, sollte sie als zusätzlich­en Ansporn nehmen, um Greta Thunbergs Botschaft umzusetzen.

 ?? Foto: Hannibal Hanschke, dpa ?? Greta Thunberg bekam die Goldene Kamera von deutschen Organisato­ren der „Fridays for Future“-Demonstrat­ionen – und forderte die Stars im Saal zur Hilfe auf.
Foto: Hannibal Hanschke, dpa Greta Thunberg bekam die Goldene Kamera von deutschen Organisato­ren der „Fridays for Future“-Demonstrat­ionen – und forderte die Stars im Saal zur Hilfe auf.

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