Wie fit sind Bayerns Soldaten?
Bei einem Gelöbnis im Landkreis Dillingen kippen gleich mehrere Soldaten um. Die Truppe sieht darin keinen Grund zur Beunruhigung – und hat doch ein grundsätzliches Problem
Wertingen/Augsburg Stillgestanden! Hacken zusammen, Brust raus, der Blick nach vorn. Und dann: stillstehen. Manchmal stundenlang. Soldaten kennen das – und können das. Meistens. Ausnahmen bestätigen die Regel. Doch die Ausnahme, die sich kürzlich in Wertingen im Landkreis Dillingen ereignete, verwunderte dann doch so manchen Beobachter. Bei einem Gelöbnis, bei dem 30 Rekruten ihren Diensteid schworen, kippten gleich sieben der rund 100 im Schlossgraben stillstehenden Soldaten um. „Was ist nur mit den jungen Leuten von heute los, die nicht mal eine Stunde stehen können?“, fragte daraufhin beispielhaft Reiner Kögl, 61 Jahre alt, Ende der 1980er Jahre Mitglied der Luftwaffe und nun Zeuge des seiner Meinung nach „peinlichen“Vorfalls.
Nun passiert es während militärischer Zeremonien immer wieder, dass Soldaten mit schwachem Kreislauf – im wahrsten Sinne des Wortes aus der Reihe fallen. Zumeist dann, wenn sie stundenlang in praller Sonne in strammer Haltung verharren müssen. Doch in Wertingen herrschten Mitte März alles andere als hochsommerliche Temperaturen und so liegen leise Zweifel am Zustand der Truppe auf der Hand.
Ein Presseoffizier des betroffenen und in Dillingen stationierten Informationstechnikbataillons 292 sah in dem Vorfall keinen Grund für grundsätzliche Zweifel an der Fitness der eigenen Mannen. Zwar sei gerade bei Rekruten, also den Bundeswehr-Neulingen, die körperliche Leistungsfähigkeit anfangs oft sehr unterschiedlich, doch im Lauf der ersten drei Monate werde versucht, alle auf das gleiche Niveau zu bringen. Am Ende der Grundausbildung stehe beispielsweise eine 36-Stunden-Übung auf dem Programm. Eine Rekrutin hatte beim Gelöbnis in Wertingen von den Strapazen eines nächtlichen Orientierungsmarsches berichtet – und der Erfahrung der eigenen Grenzen, die man dabei macht.
Was nun im konkreten Fall das oder die Probleme der sieben Soldaten waren, war im Nachgang nicht zu erfahren. Aber die Frage nach dem Fitnesszustand der Soldaten ist ohnehin keine Dillinger Eigenheit. Das bestätigt Hans-Peter Bartels (SPD), Wehrbeauftragter des Deutschen Bundestages. „Es ist die Frage, wie viel Sportlichkeit man bei Rekruten voraussetzen kann. Da gab es tatsächlich erhebliche Defizite. Es kommen Leistungssportler zur Bundeswehr, aber eben auch junge Frauen und Männer, die körperlich nicht so fit sind“, sagt Bartels im Gespräch mit unserer Redaktion. Dieses Problem sei jedoch erkannt worden und man habe daraufhin ein Pilotprojekt gestartet. In der Ernst-Moritz-Ernst-Kaserne in Hagenow in Mecklenburg-Vorpommern würden die Rekruten einem sechswöchigen Sportpro– Symbolfoto: Bernd von Jutrczenka, dpa gramm unterzogen. Gestartet werde in drei individuellen Leistungsgruppen. „Das Programm wurde sehr gut angenommen. Die Abbrecherquote der Soldatinnen und Soldaten die daran teilgenommen haben, war geringer als in den anderen Vergleichsgruppen ohne Sportprogramm“, erklärt der Wehrbeauftragte. Künftig soll dieses Pilotprojekt zum Standard in der gesamten Bundeswehr werden, kündigt Bartels an: „Ab dem 1. Juli wird das Sportprogramm für alle Standorte des Heeres obligatorisch. Das dürfte ein Schritt sein, die Fitness der Rekruten anzuheben.“
Es bleibt dennoch zu befürchten, dass stundenlanges Stillstehen auch in Zukunft noch den ein oder anderen Soldaten in die Knie zwingen wird. Zumal auch in Wertingen nicht nur Rekruten, sondern auch erfahrenere Militärs einknickten. So bleibt Soldaten mit weichen Knien im Ernstfall nur die Hoffnung darauf, dass möglichst bald und laut das erlösende Kommando ertönt: Rührt Euch!
Sport-Pilotprojekt soll zum Standard werden