Strompreise so hoch wie nie
Auch viele regionale Anbieter erhöhten die Tarife. Und das Ende scheint nicht in Sicht
Augsburg Viele Verbraucher sehen dem Zeitpunkt mit Beklemmung entgegen, wenn die Jahresabrechnung kommt. Denn die Strompreise steigen bereits seit langer Zeit spürbar an. Jetzt ist ein neuer Höchststand erreicht, berichtet das Vergleichsportal Verivox: Im Durchschnitt zahlen Kunden für eine Kilowattstunde – damit lässt sich zum Beispiel eine Ladung Wäsche waschen – rund 29,42 Cent. Das sei „mehr als jemals zuvor“, berichtet Verivox. Und die Fachleute gehen von weiter steigenden Preisen aus.
Der Verivox-Studie zufolge haben zum Januar, Februar oder März rund zwei Drittel der 826 Grundversorger ihre Preise erhöht – im Schnitt um fünf Prozent. Darunter sind auch Energieanbieter in unserer Region. Die Stadtwerke Augsburg zum Beispiel erhöhten den Strompreis in der Grundversorgung zum Jahreswechsel um 6,3 Prozent. Entsprechende Kunden der Stadtwerke Ulm/Neu-Ulm müssen 5,4 Prozent oder 36 Euro mehr pro Jahr ausgeben – bei einem Jahresverbrauch von 2000 Kilowattstunden.
Wie sehr der Strompreis in den letzten fünf Jahren für typische Kunden in unserer Region teurer geworden ist, zeigt eine VerivoxBeispielrechnung für unsere Redaktion: Kunden von Eon zahlten Verivox zufolge im Jahr 2014 noch 1193 Euro, heute seien es 1231 Euro. Für Kunden der Lechwerke stieg die Rechnung von 1277 Euro auf 1295 Euro, beim Allgäuer Überlandwerk von 1246 Euro auf 1311 Euro. Bei den Stadtwerken Neuburg/Donau waren es damals 1156 Euro, heute sind es 1339 Euro. Alle Angaben beziehen sich auf die Grundversorgung, die April-Tarife und einen Jahresverbrauch von 4000 Kilowattstunden.
Was aber macht den Strom teurer? In den vergangenen Jahren waren es vor allem steigende staatlich gelenkte Abgaben wie die EEG-Umlage. Diesmal ist es anders. Das Grundprodukt Strom selbst wird teurer: „Es gibt höhere Beschaffungskosten an der Strombörse, welche die Stromversorger an die Kunden weitergeben müssen“, erklärt Detlef Fischer, Geschäftsführer des Verbandes der Bayerischen Energie- und Wasserwirtschaft. Strom wird an der Börse gehandelt. Dort stieg die Elektrizität zuletzt im Preis. Die Stromanbieter kauften Fischer zufolge zum absoluten Tiefpunkt im zweiten Quartal 2016 eine Kilowattstunde Strom noch für rund 2,5 Cent ein, im letzten Quartal 2018 mussten sie bereits über fünf Cent zahlen.
Und die Preise werden weiter steigen, meinen die Fachleute: „Der Anstieg wird sich auch in den kommenden Monaten weiter verfestigen“, berichtet Valerian Vogel, Energieexperte bei Verivox. Denn Strom wird knapper, argumentiert Verbandsfachmann Fischer. „Wenn überall abgeschriebene Kraftwerke abgeschaltet werden und teurere neue Erzeugungsanlagen in den Markt gehen, dann kommt es zu diesen Strompreisentwicklungen, das ist ganz normal“, sagt er. In nächster Zeit sollen in Deutschland viele Atomkraftwerke und Kohlemeiler vom Netz gehen.
Verivox zufolge lassen sich vor allem durch einen Wechsel der Anbieter die Kosten senken: Wer aus dem meist relativ hohen Grundversorgungstarif in faire Tarife wechsele, könne bis zu 184 Euro im Jahr sparen. Der Zusatz „fair“ist wichtig, denn einige Anbieter arbeiten mit ihren Boni-Systemen an der Grenze zur Seriosität. Aufsehen erregte kürzlich auch die Pleite des Stromanbieters BEV, von der rund 500000 Kunden betroffen waren.
Fischer zufolge gäbe es noch eine Idee, wie sich die Strompreise in den Griff bekommen ließen: „Stromsteuer runter, und zwar auf das europäische Mindestmaß!“
Was bei einem Wechsel des Stromanbieters zu beachten ist, erklärt René Lauer auf
Augsburg Der Strompreis ist so hoch wie nie zuvor, 29,42 Cent kostet die Kilowattstunde in Deutschland einer Analyse des Vergleichsportals Verivox zufolge im Schnitt. In den kommenden Monaten könnte Strom noch teurer werden, prognostiziert auch Check24. Was können Sie also tun, damit die Rechnung nicht ganz so hoch ausfällt?
Wer sich im Stromtarif seines Grundversorgers befindet, zahlt in der Regel relativ hohe Stromkosten. Die gute Nachricht ist, den teuren Vertrag wird man relativ leicht los: Mit einer Kündigungsfrist von 14 Tagen können sich Verbraucher einen neuen Stromanbieter aussuchen. Die Formalitäten eines Wechsels übernimmt häufig sogar der neue Anbieter für Kunden. Oft bieten auch Grundversorger – wie die Stadtwerke – selbst günstigere Tarife als den Grundversorgertarif. Ein Blick auf die Homepage des regionalen Anbieters verschafft Verbrauchern einen Überblick.
Wer den Stromtarif wechselt, profitiert häufig von einem Neukunden-Bonus und zusätzlichen Vergünstigungen. „Um nicht von weiteren Preiserhöhungen überrascht zu werden, sollten Verbraucher darauf achten, Tarife mit einer Preisgarantie von mindestens zwölf Monaten abzuschließen“, rät Valerian Vogel, Energieexperte bei Verivox. Außerdem sollten Kunden bei einem Stromtarif nicht nur auf hohe Boni achten, sondern auch auf einen möglichst niedrigen Strompreis. Denn wer vergisst, seinen Vertrag rechtzeitig zu kündigen, muss sonst mit hohen Stromkosten leben, wenn die Preisbindung ausgelaufen ist und Boni wegfallen.
Vor dem Wechsel des Stromanbieters lohnt es sich, die Preise zu vergleichen. Dabei können bekannte Wechselportale wie Check24 oder Verivox helfen. Kunden sollten aber auch selbst etwas Zeit in die Recherche investieren. Denn nicht alle Stromanbieter sind auch auf den Vergleichsseiten gelistet. Außerdem sollten Nutzer die Empfehlungen der Vergleichsportale mit Sorgfalt untersuchen. Denn nicht immer sind die Angebote, die ganz oben auf der Seite angezeigt werden, auch wirklich günstig.
Dabei empfiehlt es sich auch, Bewertungen und Informationen über einen neuen Stromanbieter zu prüfen. Denn was passiert, wenn ein Stromanbieter pleitegeht, mussten kürzlich Kunden des Energieversorgers BEV erleben. Der ebenfalls mit Billigstpreisen für sein Angebot geworben hatte.
Mittlerweile gibt es sogar Dienstleister, die den Wechsel und die Preisvergleiche für Kunden übernehmen, wie das Augsburger Wechselhelfer-Portal Cheapenergy24 oder SwitchUp aus Berlin. Diese wechseln für Kunden automatisch jährlich den Stromanbieter. Wer sich für ein solches Angebot entscheidet, sollte aber vorher ebenfalls die Konditionen genau anschauen. Denn natürlich sind solche Wechseldienste nicht umsonst.