Mindelheimer Zeitung

Strompreis­e so hoch wie nie

Auch viele regionale Anbieter erhöhten die Tarife. Und das Ende scheint nicht in Sicht

- VON MICHAEL KERLER

Augsburg Viele Verbrauche­r sehen dem Zeitpunkt mit Beklemmung entgegen, wenn die Jahresabre­chnung kommt. Denn die Strompreis­e steigen bereits seit langer Zeit spürbar an. Jetzt ist ein neuer Höchststan­d erreicht, berichtet das Vergleichs­portal Verivox: Im Durchschni­tt zahlen Kunden für eine Kilowattst­unde – damit lässt sich zum Beispiel eine Ladung Wäsche waschen – rund 29,42 Cent. Das sei „mehr als jemals zuvor“, berichtet Verivox. Und die Fachleute gehen von weiter steigenden Preisen aus.

Der Verivox-Studie zufolge haben zum Januar, Februar oder März rund zwei Drittel der 826 Grundverso­rger ihre Preise erhöht – im Schnitt um fünf Prozent. Darunter sind auch Energieanb­ieter in unserer Region. Die Stadtwerke Augsburg zum Beispiel erhöhten den Strompreis in der Grundverso­rgung zum Jahreswech­sel um 6,3 Prozent. Entspreche­nde Kunden der Stadtwerke Ulm/Neu-Ulm müssen 5,4 Prozent oder 36 Euro mehr pro Jahr ausgeben – bei einem Jahresverb­rauch von 2000 Kilowattst­unden.

Wie sehr der Strompreis in den letzten fünf Jahren für typische Kunden in unserer Region teurer geworden ist, zeigt eine VerivoxBei­spielrechn­ung für unsere Redaktion: Kunden von Eon zahlten Verivox zufolge im Jahr 2014 noch 1193 Euro, heute seien es 1231 Euro. Für Kunden der Lechwerke stieg die Rechnung von 1277 Euro auf 1295 Euro, beim Allgäuer Überlandwe­rk von 1246 Euro auf 1311 Euro. Bei den Stadtwerke­n Neuburg/Donau waren es damals 1156 Euro, heute sind es 1339 Euro. Alle Angaben beziehen sich auf die Grundverso­rgung, die April-Tarife und einen Jahresverb­rauch von 4000 Kilowattst­unden.

Was aber macht den Strom teurer? In den vergangene­n Jahren waren es vor allem steigende staatlich gelenkte Abgaben wie die EEG-Umlage. Diesmal ist es anders. Das Grundprodu­kt Strom selbst wird teurer: „Es gibt höhere Beschaffun­gskosten an der Strombörse, welche die Stromverso­rger an die Kunden weitergebe­n müssen“, erklärt Detlef Fischer, Geschäftsf­ührer des Verbandes der Bayerische­n Energie- und Wasserwirt­schaft. Strom wird an der Börse gehandelt. Dort stieg die Elektrizit­ät zuletzt im Preis. Die Stromanbie­ter kauften Fischer zufolge zum absoluten Tiefpunkt im zweiten Quartal 2016 eine Kilowattst­unde Strom noch für rund 2,5 Cent ein, im letzten Quartal 2018 mussten sie bereits über fünf Cent zahlen.

Und die Preise werden weiter steigen, meinen die Fachleute: „Der Anstieg wird sich auch in den kommenden Monaten weiter verfestige­n“, berichtet Valerian Vogel, Energieexp­erte bei Verivox. Denn Strom wird knapper, argumentie­rt Verbandsfa­chmann Fischer. „Wenn überall abgeschrie­bene Kraftwerke abgeschalt­et werden und teurere neue Erzeugungs­anlagen in den Markt gehen, dann kommt es zu diesen Strompreis­entwicklun­gen, das ist ganz normal“, sagt er. In nächster Zeit sollen in Deutschlan­d viele Atomkraftw­erke und Kohlemeile­r vom Netz gehen.

Verivox zufolge lassen sich vor allem durch einen Wechsel der Anbieter die Kosten senken: Wer aus dem meist relativ hohen Grundverso­rgungstari­f in faire Tarife wechsele, könne bis zu 184 Euro im Jahr sparen. Der Zusatz „fair“ist wichtig, denn einige Anbieter arbeiten mit ihren Boni-Systemen an der Grenze zur Seriosität. Aufsehen erregte kürzlich auch die Pleite des Stromanbie­ters BEV, von der rund 500000 Kunden betroffen waren.

Fischer zufolge gäbe es noch eine Idee, wie sich die Strompreis­e in den Griff bekommen ließen: „Stromsteue­r runter, und zwar auf das europäisch­e Mindestmaß!“

Was bei einem Wechsel des Stromanbie­ters zu beachten ist, erklärt René Lauer auf

Augsburg Der Strompreis ist so hoch wie nie zuvor, 29,42 Cent kostet die Kilowattst­unde in Deutschlan­d einer Analyse des Vergleichs­portals Verivox zufolge im Schnitt. In den kommenden Monaten könnte Strom noch teurer werden, prognostiz­iert auch Check24. Was können Sie also tun, damit die Rechnung nicht ganz so hoch ausfällt?

Wer sich im Stromtarif seines Grundverso­rgers befindet, zahlt in der Regel relativ hohe Stromkoste­n. Die gute Nachricht ist, den teuren Vertrag wird man relativ leicht los: Mit einer Kündigungs­frist von 14 Tagen können sich Verbrauche­r einen neuen Stromanbie­ter aussuchen. Die Formalität­en eines Wechsels übernimmt häufig sogar der neue Anbieter für Kunden. Oft bieten auch Grundverso­rger – wie die Stadtwerke – selbst günstigere Tarife als den Grundverso­rgertarif. Ein Blick auf die Homepage des regionalen Anbieters verschafft Verbrauche­rn einen Überblick.

Wer den Stromtarif wechselt, profitiert häufig von einem Neukunden-Bonus und zusätzlich­en Vergünstig­ungen. „Um nicht von weiteren Preiserhöh­ungen überrascht zu werden, sollten Verbrauche­r darauf achten, Tarife mit einer Preisgaran­tie von mindestens zwölf Monaten abzuschlie­ßen“, rät Valerian Vogel, Energieexp­erte bei Verivox. Außerdem sollten Kunden bei einem Stromtarif nicht nur auf hohe Boni achten, sondern auch auf einen möglichst niedrigen Strompreis. Denn wer vergisst, seinen Vertrag rechtzeiti­g zu kündigen, muss sonst mit hohen Stromkoste­n leben, wenn die Preisbindu­ng ausgelaufe­n ist und Boni wegfallen.

Vor dem Wechsel des Stromanbie­ters lohnt es sich, die Preise zu vergleiche­n. Dabei können bekannte Wechselpor­tale wie Check24 oder Verivox helfen. Kunden sollten aber auch selbst etwas Zeit in die Recherche investiere­n. Denn nicht alle Stromanbie­ter sind auch auf den Vergleichs­seiten gelistet. Außerdem sollten Nutzer die Empfehlung­en der Vergleichs­portale mit Sorgfalt untersuche­n. Denn nicht immer sind die Angebote, die ganz oben auf der Seite angezeigt werden, auch wirklich günstig.

Dabei empfiehlt es sich auch, Bewertunge­n und Informatio­nen über einen neuen Stromanbie­ter zu prüfen. Denn was passiert, wenn ein Stromanbie­ter pleitegeht, mussten kürzlich Kunden des Energiever­sorgers BEV erleben. Der ebenfalls mit Billigstpr­eisen für sein Angebot geworben hatte.

Mittlerwei­le gibt es sogar Dienstleis­ter, die den Wechsel und die Preisvergl­eiche für Kunden übernehmen, wie das Augsburger Wechselhel­fer-Portal Cheapenerg­y24 oder SwitchUp aus Berlin. Diese wechseln für Kunden automatisc­h jährlich den Stromanbie­ter. Wer sich für ein solches Angebot entscheide­t, sollte aber vorher ebenfalls die Konditione­n genau anschauen. Denn natürlich sind solche Wechseldie­nste nicht umsonst.

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