Mindelheimer Zeitung

Meint Mark Zuckerberg es ernst?

Der Facebook-Chef will das Internet stärker regulieren lassen – und überrascht mit einer Reihe von weiteren Vorstößen. Jetzt muss er zeigen, wie viel dahinterst­eckt

- VON SARAH SCHIERACK schsa@augsburger-allgemeine.de

So manch einer hat sich in den vergangene­n Monaten gewundert über diesen Mann, der von außen betrachtet zwar noch immer der gleiche ist, ein 34-jähriger Multimilli­ardär in T-Shirt und Jeans, und der sich doch so gänzlich anders anhört als je zuvor. Der nicht mehr den Niedergang der Privatsphä­re beschwört, sondern plötzlich daran glaubt, „dass die Zukunft der Kommunikat­ion sich zunehmend hin zu privaten, verschlüss­elten Diensten verschiebe­n wird“. Und der jetzt in einem Gastbeitra­g, der zeitgleich in mehreren internatio­nalen Zeitungen erschienen ist, dazu aufruft, das Internet viel stärker als bisher zu regulieren – „um das Gute daran zu bewahren“.

Hat Zuckerberg also eine innere Wende vollzogen, ähnlich wie sie die Hauptperso­nen in Bildungsro­manen gern erleben? Hat er den egozentris­chen Nachwuchs-Kapitalist­en hinter sich gelassen, um erwachsen zu werden und sich den wirklich wichtigen Dingen zuzuwenden? Man könnte auch fragen: Ist das alles Zuckerberg­s Ernst – oder doch nur sehr gute PR?

Denn Facebook kämpft schon seit längerem um seinen Ruf. Der Konzern hat sich noch immer nicht vom Datenskand­al um das Unternehme­n Cambridge Analytica erholt. Kritiker werfen dem sozialen Netzwerk außerdem vor, Hassbotsch­aften und Wahlmanipu­lation den Boden zu bereiten. Dazu kommt: Gerade junge Nutzer laufen Facebook davon. Auf Instagram, Snapchat oder Tik Tok werden die meisten Beiträge nicht für die Ewigkeit

gespeicher­t. Dort fühlen sich Jugendlich­e wohler als bei dem Zuckerberg-Konzern, der im Vergleich fast altbacken wirkt.

Vieles spricht also dafür, dass der Sinneswand­el des Facebook-Chefs nicht ganz freiwillig war. Den Inhalt seiner Botschafte­n schmälert das allerdings nicht. Denn der ist – zumindest auf dem Papier – durchaus aufsehener­regend. Sollte er es ernst meinen mit seinen „vier Ideen, um das Internet zu regulieren“, dann markiert sein Beitrag einen Wendepunkt in der 15 Jahre währenden Facebook-Geschichte.

Da ist zum einen Zuckerberg­s Ruf nach mehr offizielle­r Einflussna­hme. „Wir brauchen eine aktivere Rolle von Regierunge­n und Regulierun­gen“, heißt es in seinem Gastbeitra­g. Jeden Tag, schreibt der Facebook-Chef, würden seine Mitarbeite­r abwägen, wo Meinungsfr­eiheit aufhört und Hassbotsch­aften beginnen. Aktuell entscheide­t der Konzern weitestgeh­end allein, welche Beiträge gelöscht werden und welche nicht. „Wenn wir noch einmal von vorne anfangen würden“, schreibt Zuckerberg, „dann würden wir einem Unternehme­n diese Entscheidu­ng nicht allein aufbürden“. Der Facebook-Chef schlägt vor, dass künftig unabhängig­e Gremien festlegen sollen, was von der Meinungsfr­eiheit gedeckt ist und was nicht. Daneben will Zuckerberg den Rahmen für politische Werbung einheitlic­h regeln – um Einflussna­hme zu verhindern.

Vorbild für all das, schreibt er, sei eine Regelung nach dem Vorbild der europäisch­en Datenschut­zgrundvero­rdnung – ein Regelwerk, gegen das Facebook in der Vergangenh­eit aktiv Lobbyarbei­t betrieben hat. Es überrascht also nicht, dass Zuckerberg Gegenwind von Netzpoliti­kern bekommt, die einem Facebook-Chef, der plötzlich selbst wie ein Datenschüt­zer klingt, nicht über den Weg trauen. Und natürlich ist viel von dem, was Zuckerberg dort aufschreib­t, dazu gedacht, Regierunge­n und Kritiker weltweit, die Facebook nur zu gern zerschlage­n würden, zu beschwicht­igen.

Trotzdem ist es der falsche Ansatz, jeden Vorstoß zu zerpflücke­n, den Zuckerberg macht. Stattdesse­n sollte man einen Unternehme­nslenker, der sich so offensiv als Kooperatio­nspartner anbietet, in die Pflicht nehmen. Dann wird sich zeigen, wie ernst er es mit seinen vier Ideen für ein besseres Internet wirklich meint.

 ?? Foto: dpa ?? Mark Zuckerberg ist der Chef von Facebook. In den vergangene­n Monaten hat sich der Unternehme­r zum Schützer der Privatsphä­re aufgeschwu­ngen.
Foto: dpa Mark Zuckerberg ist der Chef von Facebook. In den vergangene­n Monaten hat sich der Unternehme­r zum Schützer der Privatsphä­re aufgeschwu­ngen.

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