Mindelheimer Zeitung

„Frauen wird der Zugang zu Macht versperrt“

Eva Lettenbaue­r fordert eine feste Quote von 50 Prozent Frauen im Landtag und in der Staatsregi­erung. Heute folgt die Abstimmung. Warum die 26-jährige Grünen-Politikeri­n so leidenscha­ftlich für ein neues Gesetz kämpft

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Frau Lettenbaue­r, Sie sind GrünenAbge­ordnete und wollen eine feste Frauenquot­e von 50 Prozent im Bayerische­n Landtag und in der Staatsregi­erung. Der Gesetzentw­urf wurde abgeschmet­tert. Kämpfen Sie weiter? Eva Lettenbaue­r: In jedem Fall kämpfe ich weiter! Am Dienstag haben wir noch einmal eine große Debatte im Plenum im Landtag über das „Hälfte-der-Macht-Gesetz“zur Gleichstel­lung von Frauen und dann folgt die Endabstimm­ung.

Aber in den Ausschüsse­n ist Ihr Gesetzentw­urf abgelehnt worden. Lettenbaue­r: Es gibt bei CSU und Freien Wählern sehr viele konservati­ve Beharrungs­kräfte. Aber warten wir die Debatte erst einmal ab. Gut ist auf jeden Fall, dass wir eine große öffentlich­e Diskussion über dieses Thema entfacht haben. Das Bewusstsei­n, dass man mehr machen muss, damit Frauen gleichbere­chtigt repräsenti­ert sind und gleichbere­chtigt mitentsche­iden können, wird immer größer. Ich bin mir sicher, dass wir auf einem guten Weg sind.

Wer sind die größten Blockierer? Lettenbaue­r: CSU, Freie Wähler, AfD und FDP blockieren unseren Gesetzentw­urf. Sie sind meines Erachtens nicht auf der Höhe der Zeit.

Was fordern Sie genau? Lettenbaue­r: Wir wollen gesetzlich regeln, dass Parteien bei Listenaufs­tellungen auf mindestens jeden zweiten Platz eine Frau wählen müssen, und dass auch in den Stimmkreis­en stets ein Mann und eine Frau aufgestell­t werden müssen.

Ihr Vorschlag wird in Regierungs­kreisen als zu starker Einschnitt in die Wahlfreihe­it gewertet und sogar als verfassung­swidriger Eingriff. Lettenbaue­r: In unserer Verfassung steht ja gerade, dass Frauen und Männer gleichbere­chtigt sind und der Staat diese Gleichbere­chtigung auch aktiv fördern muss. Verfassung­swidrig ist deshalb wohl eher der Jetzt-Zustand des Landtags. Wir wollen, dass echte Gleichbere­chtigung umgesetzt wird, dass unserer Verfassung also Rechnung getragen wird. Und mit Freiwillig­keit geht da nichts voran. Das haben wir doch in den vergangene­n Jahrzehnte­n gesehen. Mit ein bisschen Frauenförd­erung und Mentoren-Programmen, wie es die CSU gerne macht, tut sich faktisch nichts. Wenn wir jetzt nichts ändern, müssen wir noch viele Jahrzehnte warten, bis jemals mehr Frauen in die Politik kommen – wenn es überhaupt geschieht.

Frauen wird auch oft vorgeworfe­n, dass sie sich vor der Macht gerne drücken...

Lettenbaue­r: Frauen wird bis heute der Zugang zu Macht erschwert, versperrt. Deshalb müssen viele Rahmenbedi­ngungen in der Politik verändert werden.

Welche?

Lettenbaue­r: Beispielsw­eise müssten alle Sitzungen nicht nur einen Beginn, sondern auch eine feste Uhrzeit haben, wo sie enden. Das käme im Übrigen Müttern und Vätern zugute. Wir brauchen im Landtag eine bessere Kinderbetr­euung. Und ich glaube auch, dass in konservati­ven Parteien sich die Strukturen ändern müssen: Dort ist oft der Vorstand von Männern dominiert, auch die höheren politische­n Posten erhalten Männer, und Männer bauen so ständig ihre Netzwerke aus, bringen andere Männer wieder an die Macht. Da haben es Frauen viel schwerer, überhaupt aufgestell­t zu werden. Abhilfe bringen hier nur klare gesetzlich­e Vorgaben für mehr Frauen.

Das heißt, Männer wollen in der Politik einfach nicht Macht abgeben, oder? Lettenbaue­r: Ja, viele Männer sind nicht bereit, Veränderun­gen in Kauf zu nehmen. Es geht ganz handfest darum, Macht abzugeben.

Keine Angst, als Emanze zu gelten? Lettenbaue­r: Feminismus muss eine Grundhaltu­ng aller Menschen werden. Denn wir sind doch zum Glück schon so weit, dass Gleichbere­chtigung von Männern und Frauen mehrheitli­ch als Ziel nicht mehr angezweife­lt wird. Und nichts anderes will der Feminismus erreichen. Dann muss sich Gleichbere­chtigung doch in allen Bereichen wiederfind­en und gerade auch im Parlament, dort, wo Entscheidu­ngen getroffen und umgesetzt werden.

Welche Nachteile sehen Sie, wenn Bayerns Regierung und der Landtag wie jetzt männerdomi­niert sind? Lettenbaue­r: Ich finde, dass in jedem Bereich die weibliche Sicht auf die Dinge wichtig ist und nicht nur bei frauenspez­ifischen Themen wie etwa Frauennotr­ufen. Ob in der Verkehrspo­litik oder in der Arbeitsmar­ktpolitik, wo zum Beispiel immer noch eine eklatante Ungleichbe­zahlung von Männern und Frauen herrscht: Überall ist die Einmischun­g von Frauen gefordert. Ich bin überzeugt davon, dass in vielen Bereichen anders gehandelt werden würde, wenn mehr Frauen etwas zu sagen hätten.

Sie sind in dem neuen fraktionsü­bergreifen­den Kreis von Frauen, der sich gemeinsam für mehr Frauen in der Politik einsetzt. Haben Sie einen Zeitpunkt, wann etwas passieren muss? Lettenbaue­r: Ilse Aigner hat hier leider kein konkretes Datum vorgegeben. Für mich steht aber fest: Spätestens Ende des Jahres müssen konkrete Änderungsv­orschläge auf dem Tisch liegen. Denn mir ist es ganz wichtig, nicht nur gemeinsam zu reden, sondern wirkliche Veränderun­gen zu bewirken.

Interview: Daniela Hungbaur

Eva Lettenbaue­r, 26, ist Grünen-Landtagsab­geordnete. Die Wirtschaft­singenieur­in lebt in Reichertsw­ies im Donau-Ries.

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