Mindelheimer Zeitung

Eine emotionale Rückkehr

Nur 48 Stunden nach einem üblen Foul und dramatisch­en Minuten in Düsseldorf kehrt Christoph Ullmann aufs Eis zurück und wird gefeiert. Trainer Stewart: Es war berührend

- VON MILAN SAKO

Augsburg Er will nicht in die Öffentlich­keit, sondern sieht sich das entscheide­nde Match seiner Teamkolleg­en in der Umkleide an. Ganz allein auf dem Flachbilds­chirm neben den Taktiktafe­ln im Bauch des Curt-Frenzel-Stadions verfolgt Christoph Ullmann das entscheide­nde 2:1 der Augsburger Panther gegen die Düsseldorf­er EG. Eigentlich wollte Ullmann in der Kabine bleiben. Als der Halbfinal-Einzug perfekt ist, fordern die Fans im ausverkauf­ten Curt-Frenzel-Stadion: „Christoph Ullmann“. Teamkolleg­e Hans Detsch holt ihn. Der 35-Jährige kommt durch die Bandentür, mit vorsichtig­en Schritten betritt er die Eisfläche, wirkt fast ein wenig wackelig auf den Beinen. Der Applaus schwillt noch lauter an, es ist der emotionale Höhepunkt eines großartige­n Sportabend­s.

Vor dem Eröffnungs­bully war Ullmann in die Kabine gegangen. „Ich möchte mich den Jungs lebendig zeigen und ihnen Energie mitgeben“, sagt der Ex-Nationalsp­ieler zu seinem unerwartet­en Besuch. Nicht einmal 48 Stunden zuvor hatte er noch in Lebensgefa­hr geschwebt. Nach einem überharten Check des DEG-Spielers John Henrion war er rund neun Minuten lang bewusstlos auf dem Eis gelegen.

Der herbeieile­nde Mannschaft­sarzt der DEG, Ulf Blecker, bewahrte den 35-Jährigen vor dem Ersticken. Blecker erkannte, dass der abgesunken­e Zungengrun­d die Atmung Ullmanns verhindert­e. Umgangsspr­achlich spricht man davon, dass jemand die Zunge verschluck­t hat.

Ehefrau Nadine und die Kinder Lennox und Lina saßen zu Hause in Mannheim vor dem Fernseher und bangten mit ihrem Mann und Vater. Die Geschichte ging gut aus, und am Sonntag wollte der gebürtige Altöttinge­r seine Mannschaft­skollegen unterstütz­en. Am Haaransatz an der rechten Schläfe ist die Platzwunde zu sehen, die er trotz des gepolstert­en Helms nach dem Bandenchec­k davongetra­gen hat. Mit fünf Stichen musste die Schnittwun­de genäht werden. Doch glückliche­rweise ist außer einer Gehirnersc­hütterung „alles okay“, wie Ullmann am Sonntag berichtet. Der ehemalige Mannheimer geht zu den Fans, wird gefeiert und stimmt Gesänge an, wie es so üblich ist nach Heimsiegen.

Der Auftritt in der Kabine geht selbst den hartgesott­enen Eishockey-Profis ans Herz, auch seinem Trainer Mike Stewart, der wegen seiner rauen Art während seiner Spieler-Karriere auch „Iron Mike“genannt wurde. „Ich bin ein Cowboy und will nicht so viel sagen. Aber meine Spieler sind wie meine Kinder. Wir verbringen eine Menge Zeit zusammen und ich darf sie auch anschreien, aber niemand darf ihnen etwas Böses tun“, sagt der 46-Jährige, der die Rückkehr seines Führungssp­ielers so erlebt: „Es war berührend, er ist zu uns reingekomm­en. Einfach ihn zu sehen, hat mir gutgetan, aber es war nicht leicht.“Sturmkolle­ge Thomas Holzmann freut sich, „dass er wieder fit aussah und einigermaß­en der Alte ist.“Die dramatisch­en Minuten am Freitag hatte Holzmann so erlebt: „Ich war ja auf dem Eis und bin zu ihm hingefahre­n. Er hat im Gesicht nicht gut ausgesehen. Dann kam schon glückliche­rweise der Mannschaft­sarzt. Wie dramatisch es um ihn stand, haben wir auch erst später erfahren.“

Die Fans, die Mitspieler – am Sonntagabe­nd feierten alle Ullmann, aber auch ihren großartige­n sportliche­n Erfolg. Erstmals seit 2010 stehen die Augsburger Panther wieder im Halbfinale. In der Best-of-Seven-Serie ist der deutsche Meister München der nächste Gegner. Das erste Duell steigt am Mittwoch um 19.30 Uhr in der Olympia-Eishalle. Das erste Heimspiel folgt am Freitag im Curt-Frenzel-Stadion.

„Einige Spieler von uns sind angeschlag­en, andere haben viel Eiszeit bekommen und müssen sich erholen. Aber wir sind hoch motiviert und wollen gewinnen“, sagt Trainer Stewart. Alle freuen sich: Im Duell mit dem Erzrivalen stecken Brisanz und gewiss auch wieder Emotionen.

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Foto: Siegfried Kerpf An der rechten Schläfe ist noch die Platzwunde zu sehen: Christoph Ullmann stimmt mit den AEV-Anhängern Fangesänge an.
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Foto:dpa Freitag Abend: Christoph Ullmann liegt bewusstlos auf dem Eis. Kapitän Steffen Tölzer schaut nach ihm.
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Foto: Kolbert Sonntag Abend: Christoph Ullmann kommt aufs Eis, links Teamkolleg­e Hans Detsch.

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