Mindelheimer Zeitung

Was Urlaub auf dem Bauernhof heute bieten muss

Urlaub auf dem Bauernhof liegt immer noch im Trend. Aber die Ansprüche der Gäste steigen. Wie drei Allgäuer Betriebe mithalten wollen

- VON LEONIE KÜTHMANN

Ein rustikales Bauernzimm­er, im Garten ein paar Ziegen und Hasen zum Streicheln und ein Stall voller Kühe. Dazu das herrliche Panorama der Allgäuer Alpen – und fertig war der perfekte Urlaub auf dem Bauernhof. Ja, das war einmal. Beliebt ist der Urlaub auf dem Bauernhof noch immer. Sehr sogar. Gerade im Allgäu. Dort wurde erst vergangene­s Jahr mit 13,4 Millionen Übernachtu­ngen eine Spitzenmar­ke geknackt. Und rund die Hälfte der 2000 Übernachtu­ngsmöglich­keiten werbe mit „Urlaub auf dem Bauernhof“, heißt es aus dem Ministeriu­m für Ernährung, Landwirtsc­haft und Forsten. Doch Idylle allein reicht vielen Gästen dabei nicht mehr. „Sie sind anspruchsv­oller und auch reiseerfah­rener geworden“, sagt Angelika Soyer, Vorsitzend­e des Tourismusv­erbands „Mir Allgäuer“. Für sie ist klar: Keine andere Urlaubsfor­m muss so viele Bedürfniss­e abdecken wie Urlaub auf dem Bauernhof. „Die Tochter will Ponys reiten, der Sohn Traktor fahren, die Mama eine Massage ...“, zählt Soyer auf. Vor diesem Hintergrun­d trafen sich kürzlich Landwirte und Vermieter in Irsee bei Kaufbeuren zu einer Fachtagung, um darüber zu diskutiere­n, wie Urlaub auf dem Bauernhof künftig aussehen kann und welche Ideen es bereits gibt. Was können wir Besonderes bieten? Das haben sich auch Norbert Bechteler und Katharina Zinnecker gefragt. Wer auf ihren Hof in Kaisersmad bei Betzigau im Oberallgäu zufährt, nimmt den Bauernhof zunächst gar nicht wahr – denn zwei eierförmig­e Bauwerke rücken ins Blickfeld. „Das sind unsere Landeier“, erklärt Katharina Zinnecker. Die beiden Holzhäuser sind auf Stelzen gebaut – und auch die anderen Ferienwohn­ungen sind ungewöhnli­ch konstruier­t: Sie schweben. „Übernachte­n in den Bäumen – ein Kindheitst­raum“, damit wirbt Familie Bechteler. Das Konzept ihres Baumhausho­tels kommt gut an: 2070 Gäste übernachte­ten 2018 in den Baumhäuser­n, 60 Prozent davon seien Familien mit Kindern, erzählt Katharina Zinnecker. Aber auch Paare kommen, um die Ruhe im Baumhaus zu genießen – und das Frühstück, das im Picknickko­rb geliefert wird. Ein Haus mitten im Baumwipfel – interessie­ren sich die Gäste dann überhaupt noch für den Bauernhof? Ja, sagt Katharina Zinnecker. Ponyreiten komme ebenso gut an wie die Kleintiere und das Zuschauen beim Melken. „Und die Leute finden es toll, dass im Frühstücks­korb frische Eier und Rohmilch sind.“Mit dem Konzept „Alles aus eigener Herstellun­g“versucht auch der Berghof Babel in Wald im Ostallgäu, sich abzuheben. 90 Prozent der Milch, die die 70 Kühe geben, werden in der hauseigene­n Käserei verarbeite­t: zu Joghurt, Butter und Käse. Und Gäste können das selbst miterleben. „Alles was man selber macht, kommt super an“, sagt Tobias Babel, der älteste Sohn der Familie. Deshalb brauen sie auch eigenes Bier. Das „Waldbräu“gibt es, natürlich, auch im eigenen OnlineShop zu kaufen. Digitalisi­erung und Online-Präsenz – wichtige Punkte für die Ferienhöfe. „Wir haben auch schon Blogger eingeladen, die Werbung gemacht haben“, erzählt Norbert Bechteler vom Baumhausho­tel. Die Familie Babel hat neben dem Online-Shop und einer Facebook-Seite auf der Homepage des Berghofs mehrere YouTube-Videos eingebette­t: Dort wird gezeigt, wie der Käse hergestell­t wird, wie die Wiesen gemäht werden und fröhliche Familien Kutsche fahren. „Wir lassen gerade eine neue Homepage machen“, erzählt Susanne Guggemos. Sie betreibt mit ihrer Familie einen Ferienhof in Rückholz im Ostallgäu. Auf der Homepage wird auch die neueste Investitio­n gezeigt: ein Hallenbad mit Sauna. „Damit hebe ich mich von den anderen Höfen in Rückholz ab“, erklärt sie. Was früher undenkbar auf einem Bauernhof war, wünschen sich heute viele Gäste. Auch Familie Babel betont, dass der Spa-Bereich im Berghof die wichtigste Investitio­n gewesen sei. Sauna, Spa, Schwimmbad – hat das noch etwas mit Urlaub auf dem Bauernhof zu tun? Ja, sagt Tobias Babel, denn die Gäste können natürlich nach wie vor Kutsche fahren, Tiere streicheln und mithelfen. „Die sind begeistert, wenn ich denen ein paar Heugabeln in die Hände drücke und sie dann das Gras an die Kühe verteilen können“, sagt er. Denn: „Du kannst den Leuten erzählen, was du willst. Die wollen das mit eigenen Augen sehen.“Aber er räumt ein, dass kleine Aufgaben zwar möglich sind, „in den Stall kann man die Gäste aber nicht lassen“. Damit diese trotzdem einen Einblick bekommen, gibt es beim Berghof einen Schauraum: Er ist in den Stall hineingeba­ut, durch eine große Fensterwan­d können die Gäste die Kühe beobachten, während sie im Sessel sitzen und einen Kaffee trinken. „So werden die Familien aus der Stadt nicht schmutzig und stinken nicht“, erklärt Babel. Der Raum soll auch zeigen, wie der Stallallta­g abläuft, um Aufklärung zu betreiben. Auch Katharina Zinnecker vom Baumhausho­tel achtet darauf: „Viele, die aus der Stadt kommen, können Futter nicht von Mist unterschei­den.“

Ein Bauernhof mit Hallenbad – früher war das undenkbar

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 ?? Fotos: Ralf Lienert ?? Ein besonderer Schlafplat­z: Im Baumhausho­tel von Katharina Zinnecker und Norbert Bechteler erleben Besucher Urlaub auf dem Bauernhof etwas anders als gewohnt. Andere Hofbetreib­er versuchen, mit einem eigenen Schwimmbad aus der Masse herauszust­echen. Kühe und andere Tiere gehören aber immer noch dazu.
Fotos: Ralf Lienert Ein besonderer Schlafplat­z: Im Baumhausho­tel von Katharina Zinnecker und Norbert Bechteler erleben Besucher Urlaub auf dem Bauernhof etwas anders als gewohnt. Andere Hofbetreib­er versuchen, mit einem eigenen Schwimmbad aus der Masse herauszust­echen. Kühe und andere Tiere gehören aber immer noch dazu.
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