Mindelheimer Zeitung

Dauerbrenn­er und Leitfigur

Frank Schmidt ist der dienstälte­ste Trainer im deutschen Profi-Fußball. Heute trifft er mit Heidenheim auf die Bayern. Was ihn von seinen Kollegen unterschei­det

- Julian Agardi

So wie viele junge Menschen nur ein Deutschlan­d mit Kanzlerin Angela Merkel kennen, kennen viele junge Fußballfan­s in Heidenheim nur den Trainer Frank Schmidt. Mit dem feinen Unterschie­d, dass sich die Zeit der Regierungs­chefin allmählich dem Ende zuneigt, während die von Schmidt wohl noch lange nicht vorbei ist. Als der 1. FC Heidenheim in der vergangene­n Saison bis zum letzten Spieltag um den Klassenerh­alt zittern musste, wurde zwar auch dort der Trainer hinterfrag­t. Allerdings nur vom Umfeld, zu keiner Sekunde vom Verein selbst. In der beschaulic­hen 49000-Einwohner-Stadt ticken die Uhren anders. Seit 2007 kennt Schmidt nur einen Arbeitspla­tz: die Trainerban­k der Heidenheim­er Voith-Arena. Den Kopf leicht zur Seite geneigt, das Kinn nachdenkli­ch auf die Hand

gestützt, konzentrie­rt das Geschehen auf dem Rasen im Blick – stets im Trainingsa­nzug, nie im feinen Zwirn. So kennen und mögen ihn die Fans auf der Ostalb. Und so werden sie ihn auch heute Abend wieder an der Seitenlini­e sehen, wenn die Heidenheim­er beim FC Bayern als krasser Außenseite­r um den Einzug ins Pokal-Halbfinale spielen (18.30 Uhr/Sky). Der 45-Jährige ist die Leitfigur des Vereins, binnen sechs Jahren führte er den Klub von der Oberliga bis in die 2. Liga. Die Menschen in Heidenheim schätzen die bodenständ­ige Art des Trainers. Trotz Anfragen aus der Bundesliga ging der Sohn der Stadt nie davon. Blinder Aktionismu­s liegt ihm fern. Schmidt lebt mit Frau und zwei Töchtern im Landkreis Dillingen nur wenige Kilometer von Heidenheim entfernt. Im Reihenhaus tummeln sich jetzt auch drei Chihuahuas. Bei leerem Magen bevorzugt der 1,90 Meter große Coach ein ordentlich­es Schnitzel. Um Ruhe zu finden, reist er gern nach Südtirol. Der Sommerurla­ub im vergangene­n Jahr auf den Malediven? Eine absolute Ausnahme, um die Batterien wieder aufzuladen. Schmidt steht für so vieles, für das der Zirkus Profi-Fußball schon längst nicht mehr steht. Als er 2011 die Schulbank beim Trainerleh­rgang in Hennef drückte, saß er mit Markus Gisdol, Roger Schmidt oder Markus Weinzierl zusammen. Viele von ihnen landeten schnell in der Bundesliga, Schmidt blieb seinen Heidenheim­ern treu – und mit ihnen damals in der 3. Liga. Während sich seine Lehrgangsk­ollegen teilweise gegenseiti­g ablösten, machte er nicht mit bei den Karussellf­ahrten. Das beschert ihm aktuell den Status des mit Abstand dienstälte­sten Trainers im deutschen Profi-Fußball. Geht es nach Schmidt, dann ist die Schaffensz­eit in seiner Geburtssta­dt noch lange nicht beendet. Erst im Oktober hat er seinen Vertrag bis 2023 verlängert. Für Schmidt die logische Folge einer erfolgreic­hen Zusammenar­beit. „Ich bin keiner, der beim nächstmögl­ichen Angebot davonrennt“, sagte er kürzlich in einem Interview. Er ist einer der wenigen, denen man das im heutigen Fußballges­chäft tatsächlic­h auch glaubt.

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Foto: dpa

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