Mindelheimer Zeitung

Freiheit und Sicherheit sind ein paar Milliarden Euro wert

Die Bundesregi­erung hat sich in einen peinlichen Streit verstrickt. Warum Deutschlan­d am 70. Geburtstag der Nato zu Recht am Pranger steht

- VON STEFAN LANGE lan@augsburger-allgemeine.de

Deutschlan­d tut sich schwer mit der Bundeswehr. Das zeigt die Debatte in Berlin, wo Jugendoffi­ziere auf Betreiben der SPD in der Schule nicht mehr Werbung für die Truppe machen sollen. Deutschlan­d hadert aber auch mit der Nato. 70 Jahre wird die „North Atlantic Treaty Organizati­on“alt, und noch nie stand die Bundesrepu­blik im Verteidigu­ngsbündnis so sehr am Pranger wie heute. Die Deutschen, so der Vorwurf aus den anderen 28 NatoLänder­n, wollen sich in Sicherheit wiegen, sind aber nicht bereit, dafür zu bezahlen.

Zwei Prozent des Bruttoinla­ndsprodukt­s soll jedes Nato-Land für Verteidigu­ng ausgeben. Dieses Zwei-Prozent-Ziel gibt es schon lange. Es wurde 2002 vereinbart und zwölf Jahre später auf dem Nato-Treffen in Wales festgeklop­ft.

Für Deutschlan­d wären nach derzeitige­m Stand etwa 60 Milliarden Euro pro Jahr fällig. So viel Geld will die Bundesregi­erung aber nicht bezahlen, sie hat sich deswegen in einen peinlichen Streit verstrickt. Vorläufige­r Stand: Bundesfina­nzminister Olaf Scholz (SPD) macht zunächst zwar mehr Geld für Verteidigu­ngsausgabe­n locker, streicht den Etat dann aber zusammen. Deutschlan­d würde sich dem ZweiProzen­t-Ziel damit zunächst annähern – um sich schließlic­h wieder davon zu entfernen.

Schon SPD-Kanzlerkan­didat Martin Schulz stellte das ZweiProzen­t-Ziel in Frage (das übrigens von einem SPD-Verteidigu­ngsministe­r mitbeschlo­ssen wurde, nämlich Peter Struck). Seine Genossen folgen dieser Linie. Die Union hingegen meint, das Zwei-ProzentZie­l sei gut mit steigenden Haushaltse­innahmen zu stemmen. Das Problem ist bloß: Ein Haushaltsp­lus geht meist mit einem steigenden Bruttoinla­ndsprodukt einher. Da das Nato-Ziel an dieses gekoppelt ist, müssten dann auch die Verteidigu­ngsausgabe­n noch weiter steigen. Zu lösen ist das Dilemma nur, wenn auf einen Schlag deutlich mehr Geld in die Rüstung investiert würde.

Peinlich für das Ansehen Deutschlan­ds ist die Auseinande­rsetzung, weil nach Nato-Angaben selbst der Pleitestaa­t Griechenla­nd und Zwergenlän­der wie Litauen oder Lettland die Zwei-ProzentGre­nze jetzt schon erreicht haben. Peinlich ist die Lage zweitens, weil die Bundesregi­erung unter einem enormen Druck von außen hilflos herumeiert. Zu den scharfen Kritikern gehört ja nicht nur Donald Trump, sondern auch Nato-Generalsek­retär Jens Stoltenber­g. Dass dessen Vertrag gerade verlängert wurde und die als Nachfolger­in gehandelte Verteidigu­ngsministe­rin Ursula von der Leyen (CDU) damit aus dem Rennen ist, darf als Beleg für eine breite Unterstütz­ung auch dieser Haltung des Norwegers gelten.

Die Bundesregi­erung verscherzt es sich zudem mit der US-Regierung, ihrem weltweit wichtigste­n Partner. Präsident Trump mag zwar als Wüterich gelten, seine Kritik vor allem am deutschen Sparkurs ist aber nachvollzi­ehbar. Nach Zahlen des Internatio­nal Institute for Strategic Studies gibt Washington 30 Milliarden Dollar nur für die Nato aus. Dem stehen lediglich 240 Milliarden Dollar aller anderen 28 Nato-Partner gegenüber.

Warum Deutschlan­d das ZweiProzen­t-Ziel einhalten sollte? Darauf geben die Bundestags­fraktionen von Union und SPD selber die Antwort. Sie werden am Donnerstag im Plenum einen Antrag verabschie­den, mit dem sie sich zur „herausrage­nden Bedeutung“der Nato bekennen. Es sei dem Bündnis zu verdanken, dass Europa seit 70 Jahren in Frieden, Freiheit und Sicherheit leben könne. Das alles muss Deutschlan­d, gerade in Zeiten zunehmende­r globaler Unsicherhe­iten, einen namhaften Milliarden­Betrag wert sein.

Nicht nur die Amerikaner ärgern sich

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