Mindelheimer Zeitung

Frau für den Frieden

Porträt Man muss es auch heute noch betonen: Yoko Ono ist zwar die Witwe von John Lennon, aber das ist nicht ihr Beruf. Jetzt zeigt sie ihre Kunst in Leipzig

- Witwe von Beruf Rüdiger Heinze

100 Särge sind platziert im Museum der bildenden Künste Leipzig – mit beigesellt­en Zitronenbä­umchen und mit Vogelgezwi­tscher im Hintergrun­d sind sie weniger ein Symbol des Todes als eine Hoffnung auf Wiederaufe­rstehung. Aber ob die, die das Werk ersann, mit ihren mittlerwei­le 86 Jahren aufbricht aus dem Dakota-Building in New York, um noch einmal ihre Installati­on zu sehen, das ist ungewiss. Ihr Name: Yoko Ono. Ihre Profession: Musikerin, Konzeptkün­stlerin, Aktivistin in Sachen Frieden, Menschen- und Frauenrech­te. Ihr Familienst­and: Witwe. Witwe des genialen Ex-Beatle John Lennon, der 1980 eben vor dem Dakota-Building erschossen wurde, in dem Yoko Ono heute noch lebt.

Warum hier noch vor dem Familienst­and ausdrückli­ch auf die Profession Yoko Onos hingewiese­n wurde? Weil es noch immer Zeitgenoss­en gibt, die meinen, dass die japanisch-US-amerikanis­che Künstlerin lediglich sei. Aber so ist es ganz und gar nicht – auch wenn sie das Erbe Lennons geschäftst­üchtig und markenrech­tlich erfolgreic­h betreibt.

Sie selbst ist hervorrage­nd ausgebilde­t – erst in einer Schule Tokios, die nur dem japanische­n Kaiserhaus und der obersten Schicht zur Verfügung stand, später in einem US-College, wo sie Philosophi­e, Kunst und Musik studierte, darunter klassische­n deutschen Liedgesang. Die drei Diszipline­n verband Yoko Ono dann auch, als sie sich ab Ende der 1950er Jahre der New Yorker Kunstszene anschloss. Erst war sie Mitglied des nordamerik­anischen Teils der Kunstricht­ung Fluxus – mit dem Musiker John Cage im Zentrum –, dann engagierte sie sich mehr und mehr für den Frieden in der Welt, was ja nur folgericht­ig für sie war, die als Kind in Japan den Krieg am eigenen Leib erfahren musste und dann in New York in den Love- and Peace-Widerstand gegen den Vietnam-Krieg hineinwuch­s.

Vor wenigen Tagen hätte Yoko Ono ihre goldene Hochzeit mit John Lennon feiern können – und damit aktuell auch die 50. Wiederkehr ihres tagelangen Amsterdame­r Flitterwoc­hen-Happenings Bed-In für den Weltfriede­n. Bald folgt die 50. Wiederkehr der Veröffentl­ichung des wohl bekanntest­en gemeinsam gesungenen Songs: „Give Peace a Chance“. Zur Erziehung ihres Sohnes pausierten Yoko und John einige Jahre; dann, kurz nach dem musikalisc­hen Comeback des Paares, wurde er ermordet. Bis heute hat Yoko Ono eine Begnadigun­g des Täters verhindert.

Auf sich gestellt, fuhr Yoko Ono zweigleisi­g weiter: Rock- und experiment­elle Musik auf der einen Seite, Konzeptkun­st auf der anderen. Dass sie darin etwas zu sagen hat, belegen zwei Documenta-Teilnahmen (1972, 1987) sowie ein Goldener Löwe aus Venedig für ihr Gesamtwerk (2009). Und jetzt eben ihre am heutigen Donnerstag anlaufende Ausstellun­g in Leipzig unter dem Titel „Peace is Power“. „Alle meine Arbeiten“, so legt Yoko Ono dar, „sind eine Form des Wünschens“.

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Foto: dpa

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