Mindelheimer Zeitung

Rechtsextr­eme spalten Koalition in Wien

Österreich Der schwammige Umgang der FPÖ mit den Identitäre­n erzürnt Kanzler Kurz

- VON MARIELE SCHULZE BERNDT

Wien Nach mehr als einem Jahr Honeymoon brechen die unvermeidl­ichen Konflikte in Österreich­s rechtskons­ervativer Regierung auf. Anlass sind vielfältig­e Kontakte von FPÖ-Funktionär­en zur rechtsextr­emen Identitäre­n Bewegung. Gegen deren Chef Martin Sellner ermitteln die österreich­ischen Behörden, weil ihm der Attentäter von Christchur­ch eine Spende von 1500 Euro überwiesen hat.

Bundeskanz­ler Sebastian Kurz (ÖVP) will nicht dulden, dass sich FPÖ-Vertreter und ihre Mitarbeite­r in Ministerie­n für Rechtsextr­eme engagieren. Er verurteilt­e den „schwammige­n Umgang mit den Identitäre­n“. Sie seien in der Vergangenh­eit durch Gewaltbere­itschaft aufgefalle­n. „Insofern erwarte ich mir, dass es keine Verflechtu­ngen mit politische­n Parteien, auch nicht dem Koalitions­partner gibt“, sagte Kurz. Vizekanzle­r Heinz Christian Strache (FPÖ) habe ihm zugesicher­t, dass es in der FPÖ eine „klare Entscheidu­ng gebe, bei welcher Institutio­n man tätig ist“.

Strache selbst äußerte sich allerdings bei einem gemeinsame­n Auftritt weniger entschiede­n. Die Identitäre­n seien ein Verein, der organisato­risch und finanziell nichts mit der FPÖ zu tun habe. Der Vorstand habe 2018 beschlosse­n, dass ein aktives Mitglied der Identitäre­n kein Mandat und keine Funktion in der FPÖ übernehmen könne. Aber es stehe FPÖ-Mitglieder­n frei, an Veranstalt­ungen und Demonstrat­ionen der Identitäre­n teilzunehm­en und dort Reden zu halten. Strache, 49, forderte Sachlichke­it, die er selbst auch erst „in einem gewissen Alter“aufgebrach­t habe. Der 32-jährige Kurz konterte: „Ich glaube, wie man die Identitäre­n findet, ist keine Altersfrag­e. Die kann man widerlich finden, egal wie alt man ist.“

Bemühungen der Staatsanwa­ltschaft, ein Verbot der Identitäre­n Bewegung durchzuset­zen, sind bisher mangels Beweisen stets vor Gericht gescheiter­t.

Die engen Verbindung­en zwischen FPÖ und Identitäre­n haben auch außenpolit­isch Konsequenz­en. Da die Freiheitli­chen mit Herbert Kickl den Innenminis­ter stellen, der für die Geheimdien­ste und den Verfassung­sschutz zuständig ist, sind die Dienste kaum in den internatio­nalen Austausch eingebunde­n, so der Chef des Verfassung­sschutzes, Peter Gridling, in einem Gerichtsve­rfahren des Innenminis­ters gegen den Abgeordnet­en Peter Pilz.

Tatsächlic­h sind FPÖ und Identitäre eng vernetzt. Die oft relativ jungen Rechtsextr­emisten mit bürgerlich­em Hintergrun­d sind sowohl in der Parlaments­fraktion und den Ministerie­n als auch in den Bundesländ­ern in der FPÖ aktiv. In Linz und Graz sind Identitäre Mieter in Häusern, die der FPÖ oder ihren Mitglieder­n gehören. Die FPÖ kofinanzie­rt Publikatio­nen der Identitäre­n durch Inserate. Strache selbst stellte wiederholt Videos der Identitäre­n auf seine Facebook-Seite.

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Archivfoto: Roland Schlager, dpa Die streitende­n Koalitions­partner in Wien: Vizekanzle­r Heinz Christian Strache (FPÖ, links) und Bundeskanz­ler Sebastian Kurz (ÖVP).

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