Mindelheimer Zeitung

Putin greift nach den Sternen

Unternehme­n Daimler hat sein erstes Werk in Russland eröffnet. Es soll ein Zeichen des Aufbruchs im wirtschaft­lich schwächeln­den Land sein und ein Ansporn für andere Investoren. Um viel Geld geht es auch

- VON INNA HARTWICH

Moskau Es herrscht eine nüchterne Arbeitsatm­osphäre in der blank geputzten Fabrikhall­e im Industriep­ark Jessipowo, knapp 50 Kilometer vom Zentrum Moskaus entfernt. Innerhalb von eineinhalb Jahren hat Daimler hier, auf einer 85 Hektar großen Fläche zwischen zwei Dörfern, ein neues Werk hochgezoge­n, das erste in Russland. Da kommt auch Russlands Präsident Wladimir Putin zur Eröffnungs­feier vorbei – vorgefahre­n in seinem schwarzen Aurus, einem russischen Modell. Sein Besuch unterstrei­cht das besondere Unterfange­n Daimlers in dieser für Russland wirtschaft­lich nicht einfachen Situation.

In Zeiten immer neuer Sanktionen der Europäisch­en Union und der USA wegen der aggressive­n Ukraine-Politik Moskaus sehen Russen wie Deutsche das Werk als Zeichen des Aufbruchs, ja des Ansporns für deutsche und andere ausländisc­he Unternehme­n, in Russland zu investiere­n. „Unsere politische­n Differenze­n bestehen auch weiterhin in großen außenpolit­ischen Fragen, aber wir arbeiten im Interesse der Arbeitnehm­er in Deutschlan­d zusammen“, sagte der Bundeswirt­schaftsmin­ister Peter Altmaier (CDU) bei der Eröffnung am Mittwoch. Er sprach von „vertrauens­schaffende­n Maßnahmen“und einem wichtigen Signal weit über das konkrete Werk hinaus. „Die Fabrik wird die Kompetenz in der russischen Autoindust­rie verbessern und den russischen Konsumente­n zufriedens­tellen“, sagte Putin, bevor er seine Unterschri­ft auf die Motorhaube eines MercedesMo­dells setzte.

Zehn Jahre Steuerfrei­heit hat das Unternehme­n nun. Auch der Staat darf ab jetzt „Mercedes made in Russia“bestellen. Ein vor drei Jahren beschlosse­nes Gesetz schreibt staatliche­n Verwaltung­sstrukture­n vor, Autos in diesem Segment nur noch zu erwerben, wenn sie im Land gefertigt werden.

In der für umgerechne­t 250 Millionen Euro gebauten Produktion­sstätte will Daimler 25000 Autos im Jahr bauen. Die Autos sollen hier montiert, geschweißt und lackiert werden. Zunächst sollen Fahrzeuge der E-Klasse vom Band laufen, später auch GLC-, GLS- und GLEModelle produziert werden. 1000 Arbeitsplä­tze bietet das Werk. In Jessipowo sollen sich nach und nach auch Zulieferfi­rmen ansiedeln. Axel Bense, der Standortve­rantwortli­che für die neue, „Moscovia“genannte Fabrik, lobt die Infrastruk­tur in der Region. Zwei Jahre hatte Daimler nach passender Fläche gesucht, auch in Sibirien und Tatarstan.

Mit dem neuen Werk will Daimler mit der eigens gegründete­n Gesellscha­ft ein „neues Kapitel aufschlage­n“. Die Produktion­sstätte sieht der Autobauer als „strategisc­hes Investment“, will sich unabhängig machen von Zöllen und Handelspro­blemen und verfolgt, wie bereits in anderen Ländern, die sogenannte Lokalisier­ungsstrate­gie. Für die russischen Verbrauche­r werden die Autos dadurch günstiger.

Russland ist für die Stuttgarte­r ein wichtiger Absatzmark­t. Knapp 40000 Fahrzeuge hat Daimler im vergangene­n Jahr im Land verkauft, etwas mehr als im Jahr zuvor. Auch für dieses Jahr erwartet das Unternehme­n eine leichte Steigerung. Mercedes ist gefragt bei den Russen, auch wenn viele nur ein in Deutschlan­d zusammenge­bautes Modell für einen „echten Mercedes“halten. Trotz sinkender Kaufkraft vieler Menschen, weil die Mehrwertst­euer zum Jahresbegi­nn gestiegen war, sind gerade die SUV beliebt im Land. Genau solche Modelle will Daimler bei Moskau bauen. Die Klimadebat­te spielt keine große Rolle im Land, Demonstrat­ionen à la „Fridays for Future“gab es in der vergangene­n Zeit lediglich in einigen großen Städten, irgendwo am Stadtrand mit weniger als 100 Teilnehmer­n.

Während Daimler in Russland investiert, hat der US-Autobauer Ford vor wenigen Tagen seinen Rückzug aus dem Land angekündig­t. Nach 17 Jahren meldete er rückläufig­e Absatzzahl­en. Auch Opel ging 2015 aus demselben Grund weg aus Russland – und will nun wieder einen Neustart wagen. Volkswagen gehört mittlerwei­le zu einem der größten Autoproduz­enten in Russland, auch BMW lässt seine Fahrzeuge im Land montieren. Für die Region Moskau ist die Moscovia-Fabrik ein Segen. Obwohl die Gegend wirtschaft­lich stark ist, fehlen gerade in den kleineren Städten des Moskauer Speckgürte­ls Arbeitsplä­tze. Daimler ging Kooperatio­nen mit berufsbild­enden Colleges in der Region an und lässt dort Spezialist­en für die neue Fabrik ausbilden.

 ?? Foto: Alexey Kudenko, dpa ?? Kremlchef Putin kann die glanzvolle­n Bilder mit Daimler-Chef Zetsche und Bundeswirt­schaftsmin­ister Altmaier gut gebrauchen. In wirtschaft­lich schwierige­n Zeiten wurde das landesweit erste Mercedes-Benz-Werk eröffnet.
Foto: Alexey Kudenko, dpa Kremlchef Putin kann die glanzvolle­n Bilder mit Daimler-Chef Zetsche und Bundeswirt­schaftsmin­ister Altmaier gut gebrauchen. In wirtschaft­lich schwierige­n Zeiten wurde das landesweit erste Mercedes-Benz-Werk eröffnet.

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