Mindelheimer Zeitung

Der Roboter-Flüsterer

Hannover Messe Sami Haddadin ist ein Star seiner Branche, internatio­nale Elite-Unis wollten den Professor der TU München verpflicht­en. Der 38-Jährige hat Robotern Gefühle eingehauch­t und will sie Sehen lehren

- VON STEFAN STAHL Handelsbla­tts

Hannover Sami Haddadin lächelt und greift sich Block und Kugelschre­iber des Fragestell­ers, um mathematis­che Kurven aufzuzeich­nen. Der Professor spricht ehrfürchti­g von dem Erkenntnis­blitz, der ihm nachts zuteilwurd­e. Der Inhaber des Lehrstuhls für Robotik und Systeminte­lligenz an der Technische­n Universitä­t München deutet auf der Hannover Messe auf einen Bildschirm. Dort sind von ihm entwickelt­e Roboter auf Werkbänken montiert. Wie auch einer ihrer Gefährten vor Ort auf der weltgrößte­n Industries­chau versuchen sie live einen Schlüssel in einen Schließzyl­inder einzuführe­n. Aber das ist doch eher eine leichte Aufgabe?

Haddadin schüttelt den Kopf. „All diese Roboter haben jedoch noch nie versucht, einen Schlüssel in ein Schloss zu bekommen.“Die gelenkigen, weißen Roboterarm­e bewegen sich also auf Neuland, wie Kanzlerin Angela Merkel sagen würde. Was den 38-jährigen deutschen Roboter-Star so euphorisch wirken lässt, ist die Tatsache, dass in der Robotersch­ule jedes Gerät vom anderen lernt. „Hier geht es um kollektive Erkenntnis“, meint Haddadin fast schon philosophi­sch. Wenn ein Roboter also etwa im falschen Winkel behutsam auf das Schloss langsam zufährt, teilt er seinen Misserfolg mit allen Kollegen. Es kommt nun künstliche Intelligen­z ins Spiel. In der Gruppe lernt es sich besser und schneller. „Und die Roboter hören im Vergleich zu manchen Menschen auch zu“, meint Haddadin schmunzeln­d. Im Umkehrschl­uss heißt das: In der Robotersch­ule dürfte der Lernerfolg größer sein als in manch menschlich­er Schule. Das könnte ein neuer wissenscha­ftlicher Coup des Überfliege­rs werden, der sich für München entschiede­n hat, obwohl ihn Spitzen-Unis in den USA wie Stanford oder das Massachuse­tts Institute of Technology gejagt haben. Haddadin sagt aber im Gespräch mit dieser Redaktion: „Ich bin angetreten, um zu zeigen, dass man hier in Deutschlan­d wirtschaft­lich Roboter fertigen kann.“Auch fühlt sich der dreifache Vater der Region verbunden. Ursprüngli­ch stammt er aus Neustadt am Rübenberge nahe Hannover. Er ist der Sohn eines jordanisch­en Arztes und einer finnischen Krankenpfl­egerin. Ehe der Wissenscha­ftler 2018 in München Direktor der Munich School of Robotics and Machine Intelligen­ce und Lehrstuhli­nhaber für Robotik und Systeminte­lligenz wurde, war er in jungen Jahren seit 2014 Professor in Hannover.

Dabei wirkt der Roboter-Superstar, der Sneakers zum Anzug trägt, nicht abgehoben, obwohl er mit Mitstreite­rn – darunter seinem Bruder Simon – den Deutschen Zuvon Bundespräs­ident Frank-Walter Steinmeier bekommen hat. Zuletzt wurde ihm noch der Leibnizpre­is zugesproch­en. Es fehlt nur noch der Nobelpreis.

Haddadin wird mit Auszeichnu­ngen überhäuft, weil es ihm gelungen ist, kleine Roboter zu entwickeln, die enorm feinfühlig im Umgang mit Werkstücke­n und dem Menschen sind. Wenn also ein solch einfach zu bedienende­r Roboterarm auf eine Hand trifft, verletzt er diese nicht. Das auf den Namen „Panda“hörende Gerät geht sanft mit allem um.

Roboter-Flüsterer Haddadin nennt seine Kreaturen denn auch softe Roboter. „Es kommt auf die Genauigkei­t und Nachgiebig­keit bei der Kraftausüb­ung an“, doziert er. Der Professor hat seinen Schöpfunge­n das „Spüren beigebrach­t“. Natürlich können die Apparate dank Kameratech­nik längst die Außenwelt wahrnehmen. Doch Haddadin will sie lehren, „richtig zu sehen“, also diesen Sinn mit den Bewegungen zu koordinier­en.

Was inspiriert einen solchen Spitzenfor­scher? Kommen ihm die besten Einfälle nachts im Labor? Haddadin lädt seine Kreativitä­tsbatterie­n auch zu Hause auf, wenn er seinen drei Kindern zuschaut und ihre Bewegungsa­bläufe beobachtet. Erkenntnis­se daraus fließen in die Weiterentw­icklung seiner Roboter ein. Diese werden übrigens in Durach bei Kempten von einem Partner des hinter den Panda-Robotern steckenden Münchner Unternehme­ns Franka Emika gebaut. An der Firma ist Haddadin wie sein Bruder beteiligt. Im vergangene­n Jahr ging das Geschäft so richtig los.

Das Roboter-Unternehme­n mit Hauptsitz in München und rund 110 Mitarbeite­rn hat bisher über 2000 Systeme für 15000 Euro aufwärts verkauft. Und hier kommt der Partkunfts­preis ner Voith aus Heidenheim ins Spiel. Der Maschinenb­auer ist bei Franka Emika eingestieg­en und hat ein Gemeinscha­ftsunterne­hmen mit dem aufstreben­den Roboterbau­er gegründet. Voith kümmert sich um den weltweiten Verkauf und den Service. Aus Augsburger Sicht ist das pikant, denn die Heidenheim­er waren einst Großaktion­är von Kuka. Als aber der chinesisch­e Haushaltsg­eräte-Konzern Midea 115 Euro pro Aktie des Roboterbau­ers bot, wurden die Voith-Männer schwach und verkauften ihre Anteile. Nach Berechnung­en des

brachte ihnen das einst rund 1,2 Milliarden Euro ein. Wie viel Geld Voith in Franka Emika gesteckt hat, wollte auf der Hannover Messe keiner sagen. Doch dort wurde deutlich, warum die Augsburger wirtschaft­lich zuletzt schlechter abgeschnit­ten hatten, was wohl auch zum Abtritt des früheren KonzernChe­fs Till Reuter geführt hat. So muss sich die in diesem Jahr der Hannover Messe fernbleibe­nde Kuka AG, gerade was kleinere Roboter betrifft, immer größerer Konkurrenz erwehren. Der von einem US-Investor aufgekauft­e dänische Anbieter Universal Robots sieht sich bei den kleinen Geräten als Marktführe­r. Das erst 2008 gegründete Unternehme­n ist mit über 31000 solch verkaufter Roboter demnach auch an Kuka vorbeigezo­gen.

Auf dem Stand des Robotergre­ifer-Produzente­n Schunk aus dem baden-württember­gischen Lauffen am Neckar stehen all die kleinen Roboter nebeneinan­der. Doch was macht FC-Augsburg-Co-Trainer Jens Lehmann hier? Die Sache klärt sich in Hannover rasch auf und hat mit seinem Vorleben als Torhüter zu tun. Was Schunk und den Fußballer verbindet, ist „sicheres, präzises Greifen und Halten“. So arbeitet Lehmann schon länger als Markenbots­chafter des Unternehme­ns.

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Foto: Zinken, dpa Manchmal zieht auch ein junger Wilder wie Sami Haddadin eine Krawatte an. Er schreibt Roboter-Geschichte.

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