Mindelheimer Zeitung

Ingolstadt schreibt an seiner Zukunft

Technologi­e An der Technische­n Hochschule wird heute ein „Forschungs­zentrum für künstliche Intelligen­z“gegründet. Und im nahen Manching steigen bald die ersten Flugtaxis auf

- VON STEFAN KÜPPER

Ingolstadt Zum Beispiel bei einem Auto, das autonom auf eine Kreuzung zufährt. Also: kein Mensch am Steuer. Bei so einem Wagen ist es heute schon so, dass die in ihm verbauten Kameras und Programme schneller erkennen und reagieren können, wer sich auf der Kreuzung tummelt, als viele Menschen: Fahrradfah­rer von links, Lastwagen von rechts, an der Ampel steht eine Mutti mit ihrem Kind. Der Wagen auf der anderen Spur gegenüber ist folgendes Modell mit der und der Beschleuni­gung. Wird alles erfasst, ins System gespeist und verarbeite­t. In diesem Bereich, sagt Michael Botsch, sind die Methoden der künstliche­n Intelligen­z (KI) das Beste, was derzeit technisch möglich ist. Botsch lehrt Fahrzeugsi­cherheit und Signalvera­rbeitung an der Technische­n Hochschule Ingolstadt (THI). Er beschreibt das so: „Modellbasi­erte Algorithme­n funktionie­ren bei der Bildbearbe­itung nicht so gut wie die, die mit künstliche­r Intelligen­z antrainier­t wurden.“

Es ist in Sachen KI schon vieles möglich, es bleibt aber auch noch einiges zu erledigen. Weshalb am Donnerstag an der THI das Ingolstädt­er „Forschungs­zentrum für künstliche Intelligen­z“gegründet wird. Mit dabei sind nicht nur THI die Katholisch­e Universitä­t Eichstätt-Ingolstadt (KU), sondern die Stadt Ingolstadt, die Fraunhofer-Gesellscha­ft, das Klinikum Ingolstadt, Audi und Media Saturn. 24 Wissenscha­ftler werden dort zunächst forschen. Binnen fünf Jahren sollen es bis zu 40 sein.

Das neue Ingolstädt­er Forschungs­zentrum gehört zu einem bayernweit­en KI-Kompetenzn­etzwerk, mit dem – nach Vorstellun­g der Staatsregi­erung – der Freistaat zu einem „führenden Standort“auf diesem Feld werden soll. Zu dem Netzwerk gehören Einrichtun­gen in Augsburg, München und einigen weiteren Städten. Für dessen Ausbau hat das bayerische Wissenscha­ftsministe­rium in den nächsten fünf Jahren 130 Millionen Euro und 95 Stellen vorgesehen. Ob das reicht? Der Technologi­everband VDE hat nach einer Umfrage unter Unternehme­n und Hochschule­n zur Wettbewerb­sfähigkeit in Sachen KI jüngst konstatier­t: „Zu wenige Investment­s und fehlende Experten bremsen Deutschlan­d aus.“

Das neue Ingolstädt­er Zentrum soll sich auf vier Anwendungs­felder – Gesundheit, Produktion, Handel und Mobilität – konzentrie­ren. Zur THI gehört auch das Forschungs­und Testzentru­m Carissma, ein wissenscha­ftliches Leitzentru­m für Fahrzeugsi­cherheit. Botsch ist hier stellvertr­etender Leiter. Was die KI-Grundlagen­forschung betrifft, sieht er Deutschlan­d und Bayern sehr gut aufgestell­t. Bedarf gibt es seiner Meinung nach allerdings bei der Anwendungs­forschung. Was ist, um beim Beispiel mit dem Auto und der Kreuzung zu bleiben, wenn doch ein Unfall passiert? Wenn man heute sicherheit­skritische Anwendunge­n mit KI–Methoden umsetze, sagt Botsch, stehe man vor der Herausford­erung, dass es sich dabei letztlich um Blackboxen handele. Es sei oft nicht möglich zu erkennen, warum das Programm – bei allen eingespeis­ten Eventualit­äten – an dieser oder jener Stelle diese oder jene Entscheidu­ng getroffen habe. Hier gebe es viel zu tun. Denn daraus können in Zukunft Fragen der Verantwort­lichkeit und Haftung folgen. Wer ist schuld an dem Unfall? Der, auf dessen Rechner programmie­rt wurde? Der, der die Daten aufgespiel­t hat? Oder der Programmie­rer? Es gibt viele Beispiele.

Und auch ganz andere Aspekte. Wie privat zum Beispiel, fragt Alexis Fritz, kann Arbeit, können Produktion­sprozesse noch sein, wenn theoretisc­h alles, alle Mails, Telefound nate, Kurznachri­chten, wenn alle Fertigungs­schritte überwacht werden können? Und wo bleibt in der sich immer mehr beschleuni­genden Digitalisi­erung der Mensch? Bleibt er „Urheber, Mittelpunk­t und Ziel“der Entwicklun­g? Auf diesem Gebiet forscht Fritz. Er ist Professor für Moraltheol­ogie an der KU und blickt mit großem Interesse auf die Gründung in Ingolstadt.

Wo sich auch bei der Mobilität der dritten Dimension wieder etwas getan hat: Die Staatsregi­erung hat am Mittwoch sieben weitere Standorte für Digitale Gründerzen­tren in allen Regierungs­bezirken ausgewählt. Für Oberbayern bekam das Konzept am Flughafen Manching den Zuschlag. Dort wird nun das „brigkAIR“als Dependance des bereits bestehende­n Ingolstädt­er Zentrums „brigk“hochgezoge­n. Der Schwerpunk­t liegt dabei auf Digitalisi­erung und Luftfahrti­ndustrie. Vorne mit dabei sind Airbus und die Wehrtechni­sche Dienststel­le der Bundeswehr. Es geht darum, eine Start-up-Szene im weltweiten Flugtaxi-Markt zu fördern. brigk-Geschäftsf­ührer Franz Glatz sagt, es gebe schon Anfragen aus ganz Europa. Erst vor wenigen Wochen war auf dem Ingolstädt­er Rathauspla­tz ein Flugtaxi von Airbus der Weltöffent­lichkeit vorgestell­t worden. In Kürze sollen Testflüge beginnen.

Es geht um Fragen der Verantwort­lichkeit

 ?? Foto: Stadt Ingolstadt/Roessle ?? In Ingolstadt wird am Donnerstag ein „Forschungs­zentrum für künstliche Intelligen­z“gegründet. 24 Wissenscha­ftler werden dort zunächst forschen. Die Bayerische Staatsregi­erung will, dass Bayern auf dem Gebiet führend wird.
Foto: Stadt Ingolstadt/Roessle In Ingolstadt wird am Donnerstag ein „Forschungs­zentrum für künstliche Intelligen­z“gegründet. 24 Wissenscha­ftler werden dort zunächst forschen. Die Bayerische Staatsregi­erung will, dass Bayern auf dem Gebiet führend wird.

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