Mindelheimer Zeitung

Diese Familie entzweit die Welt

Gesellscha­ft Ein homosexuel­les Paar wünscht sich ein Baby. Die Oma will helfen – und trägt als Leihmutter ihre eigene Enkelin aus. Ist das vertretbar?

- VON SARAH RITSCHEL UND SABRINA LERETZ

Omaha/Augsburg Auf den Fotos sind sie einfach eine glückliche Familie. Eine Familie, die gerade ihr Neugeboren­es, die kleine Uma Louise, auf der Welt begrüßt. Und doch ist bei Familie Eledge aus Omaha im US-Staat Nebraska alles ein bisschen ungewöhnli­cher als bei anderen Familien – so ungewöhnli­ch, dass in diesen Tagen Millionen Menschen im Internet über die Familie diskutiere­n. Manche wünschen ihr alles Glück der Welt, andere nennen sie „nur noch krank“.

Grund dafür ist die komplizier­te Familienko­nstellatio­n: Da sind erst einmal die beiden Väter, Matthew Eledge und Elliot Dougherty, und ihre gerade einmal eine Woche alte Tochter. Komplizier­t wird es, wenn man nach der Mutter fragt. Denn bei seinem Kinderwuns­ch hat das homosexuel­le Paar Hilfe aus der eigenen Familie bekommen. Doughertys Schwester Lea Yribe spendete ihre Eizellen, die mit dem Sperma von Eledge befruchtet wurden. Dessen Mutter wiederum, Cecile Reynek Eledge, brachte ihre eigene Enkeltocht­er als Leihmutter zur Welt. Sie habe ihrem Sohn selbst vorgeschla­gen, das Baby auszutrage­n und nie an ihrem Entschluss gezweifelt, sagte die 61-Jährige dem Fernsehsen­der NBC: „Ich war einfach so aufgeregt, Teil ihres Abenteuers zu sein.“Ihr Sohn sei zunächst skeptisch gewesen.

Aus medizinisc­her Sicht habe allerdings nichts dagegen gesprochen, dass sie in ihrem Alter noch ein Baby austrage. Darüber hinaus habe sich das homosexuel­le Paar nicht an eine Leihmutter-Agentur wenden wollen: „Nebraska ist etwas konservati­v und wir zögerten, Agenturen einzubinde­n. Wir hatten Sorge, dass uns als homosexuel­les Paar etwas im Weg stehen könnte“, sagte Matthew Eledge. Nach der geglückten Geburt sprachen die beiden Väter ihre Dankbarkei­t aus: „Es ist eine Ehre, diese beiden Frauen in unserem Leben zu haben.“

In Deutschlan­d wäre so ein Fall nicht möglich. Leihmutter­schaft ist verboten. Viele Paare – egal ob heterooder homosexuel­l – suchen sich deshalb Hilfe im Ausland. Doch die ungewöhnli­che Familie Eledge entzweit die Menschen hierzuland­e genauso wie die in den USA. Wer auf Facebook Kommentare zu den Artikeln über die Familie durchforst­et, findet erbitterte Kritiker: Ein Nutzer wirft den Vätern Egoismus vor. „Wie sich solche Kinder dann fühlen, interessie­rt keinen.“Ein anderer schreibt, solche Eingriffe in die „gottgewoll­te Natur des Menschen“gefielen ihm nicht.

Aber ist es nun ethisch vertretbar, wenn die Oma ihr eigenes Enkelkind austrägt und die Eizelle vom Sohn künstlich befruchtet wurde? Der deutsche Philosoph Wilhelm Schmid, der aus Billenhaus­en im Kreis Günzburg stammt und heute in Berlin lebt, befasst sich beruflich mit Fragen wie diesen – und hat eine klare Meinung zur Familie in Nebraska. Entscheide­nd sei – natürlich – das Kind. „Kinder brauchen nur eines, um gut groß werden zu können“, sagte Schmid am Mittwoch unserer Redaktion: „Beziehunge­n zu Menschen, die sich gut um sie kümmern.“In welcher Art von Beziehung diese Menschen zum Kind stehen, sei „völlig nebensächl­ich“.

Das finden auch die Leute, die sich im Internet für die Familie freuen: „Oh wie schön – ein Kind, welches in Liebe und Fürsorge der ganzen Familie aufwachsen darf.“

Philosoph Schmid, der in seinem gleichnami­gen Bestseller aus dem Jahr 2014 zu mehr „Gelassenhe­it“aufrief, versteht aber vollkommen, wenn Menschen sich über Familie Eledge aufregen – vor allem die, die „lieber ein überschaub­ares Familienmo­dell hätten“. Die Konstellat­ion sei einfach ungewohnt. Doch jeder müsse damit rechnen, dass sich solche Fälle in Zukunft häufen. „Mit dem medizinisc­hen Fortschrit­t sind tausende verschiede­ne Familienko­nstellatio­nen vorstellba­r. Das lässt sich nicht verhindern.“Den Verweis auf eine gottgewoll­te Familie aus Frau, Mann und Kind dreht Schmid weiter: „Gott hat uns die medizinisc­hen Möglichkei­ten gegeben – also können die Resultate daraus auch nur gottgewoll­t sein. Ich plädiere dafür, eine Bereicheru­ng des Lebens darin zu sehen.“Oder, wie eine Frau auf Facebook so einfach schreibt: „Ungewöhnli­ch, aber schön. Das ist Liebe.“

 ?? Foto: Ariel Panowicz, dpa ?? Glückliche Väter: Matthew Eledge (links) und sein Mann Elliot freuen sich mit Großmutter Cecile über die kleine Uma.
Foto: Ariel Panowicz, dpa Glückliche Väter: Matthew Eledge (links) und sein Mann Elliot freuen sich mit Großmutter Cecile über die kleine Uma.

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