Die Konjunktur schrumpft – was heißt das?
Die Wirtschaft wächst langsamer. Wie sich das auf den Arbeitsmarkt auswirkt
Augsburg Schaut man sich die Konjunkturprognosen der vergangenen Wochen an, wird klar: Die richtig guten Zeiten sind vorbei. Die Wirtschaft wächst langsamer. Das haben erneut die deutschen Wirtschaftsforschungsinstitute bestätigt. In ihrem Frühjahrsgutachten gehen sie davon aus, dass die Wirtschaft in diesem Jahr um 0,8 Prozent wächst. Im Herbst hatten sie noch ein Plus von 1,9 Prozent angenommen.
Der Hauptgrund für den Einbruch sind Probleme in der Weltwirtschaft. Zum einen ist da der Handelsstreit zwischen China und den USA. „Davon sind nicht nur Unternehmen in den beiden Ländern betroffen. Es hängen viele Firmen dran – auch in Deutschland“, erklärt Ralph Wiechers. Er ist Chefvolkswirt des Verbandes der Deutschen Maschinen- und Anlagenbauer und vertritt damit eine sehr exportorientierte Branche. Die Maschinenbauer treiben noch andere Sorgen um: Trumps Zölle für europäische Autos, die wirtschaftliche Lage in Italien und der Brexit. „Der Brexit erschwert unseren Unternehmen die Planung. Sie wissen nicht, was britische Firmen ausgeben werden, und deren Investitionen sind unsere Exporte“, sagt er.
Deshalb blickt Wiechers kritisch auf den Lösungsvorschlag, den die Wirtschaftsforscher in ihrem Gutachten präsentieren: Sie appellieren an Finanzminister Olaf Scholz, nicht um jeden Preis an der Schwarzen Null – also einem Haushalt ohne neue Schulden – festzuhalten, sondern zugunsten der Konjunktur mehr Geld auszugeben. Das Finanzministerium teilte dazu mit: „Die Regierung plant bereits, die Ausgaben des Bundes zu erhöhen, von 356,4 Milliarden Euro in diesem Jahr auf 375,1 Milliarden Euro im Jahr 2023.“Das Geld soll in Infrastruktur, Bildung und Wohnungsbau fließen. „Weil die Regierung Prioritäten setzt, kommt der Bund dabei ohne neue Schulden aus.“Wiechers bezweifelt, dass die Industrie – die ja viele Aufträge aus dem Ausland bekommt – von neuen Staatsschulden profitieren würde.
Während also die Industrie unter der sinkenden Auslandsnachfrage leidet, nimmt die Kauflaune im Inland nicht ab. So zeigt das Gutachten etwa, dass die Löhne weiter steigen, der Bau boomt ebenfalls nach wie vor. Auch die Zahl der Beschäftigten wird bis 2020 steigen. Da sind sich die Wirtschaftsforscher mit Enzo Weber vom Institut für Arbeitsmarktforschung (IAB) einig. „Wir haben festgestellt, dass sich der Arbeitsmarkt immer mehr von der Konjunktur löst“, sagt er. Seit 2006 habe sich etwa der Arbeitsmarkt sehr gut entwickelt, „das Wirtschaftswachstum war dagegen nur mittelmäßig“.
Woran liegt das? Zum einen entstehen immer mehr Arbeitsplätze in Pflege- oder Erziehungsberufen. „Die gibt es, weil ein Bedarf besteht und nicht, weil die Wirtschaft wächst oder schrumpft.“Zum anderen wird es für Betriebe immer schwerer, überhaupt Mitarbeiter zu finden. Offene Stellen bleiben immer länger unbesetzt. „Die Firmen sind dazu übergegangen, ihre Fachkräfte länger zu halten“, sagt Weber.
Auch der Anteil aller Beschäftigten, die entlassen werden, sinkt seit Jahren. Daraus folgert Weber: Selbst wenn die Industrie-aufträge zurückgehen, werden die Firmen ihre Angestellten nicht so schnell entlassen. „Durch eine Delle kommt man hindurch. Das weiß auch die Industrie. Sie wird eher zu anderen Mitteln greifen, etwa Kurzarbeit, um die Mitarbeiter zu halten.“Doch diese positiven Arbeitsmarktaussichten gelten nicht für alle: Viele Unternehmen bauen wegen der Flaute schon Zeitarbeitsstellen ab – und nach Einschätzung der Experten wird das auch so weitergehen.
Im Leitartikel erklärt Stefan Stahl, warum es jetzt von einem hohen Niveau aus nach unten geht.