Mindelheimer Zeitung

Sicher Motorradfa­hren

Mit der Motorradsa­ison hat auch die Arbeit einer eigenen Kontrollgr­uppe der Polizei begonnen. Worum es ihr geht und worauf Motorradfa­hrer achten sollten

- VON SANDRA BAUMBERGER

Mit einer eigenen Kontrollgr­uppe will die Polizei die Zahl schwerer Motorradun­fälle verringern. Was der Leiter der Gruppe zum Saisonstar­t rät, lesen Sie auf . »

Unterallgä­u Die Motorradsa­ison hat noch gar nicht richtig begonnen, da sind im Bereich des Polizeiprä­sidiums Schwaben Süd/west schon zwei Motorradfa­hrer ums Leben gekommen: Einmal hatte der Fahrer eines Traktorges­panns bei Oberthinga­u beim Linksabbie­gen einen 35-jährigen Motorradfa­hrer übersehen, der das Gespann gerade überholen wollte. Im zweiten Fall auf der Bundesstra­ße 300 zwischen Krumbach und Kettershau­sen hatte ein Traktorfah­rer einem 60-jährigen Motorradfa­hrer die Vorfahrt genommen.

Für Michael Laugwitz ist jeder dieser Unfälle einer zuviel. Er leitet die Kontrollgr­uppe Motorrad des Polizeiprä­sidiums Schwaben Süd/ West, die auch für das Unterallgä­u zuständig ist. Mit Aufklärung und Kontrollen soll sie die Verkehrssi­cherheit erhöhen und die Zahl folgenschw­erer Unfälle verringern. „Wir wissen schließlic­h, wovon wir reden, weil wir selber Motorradfa­hrer sind. Da wird man ganz anders aufgenomme­n und tut sich viel leichter, das Gespräch zu finden“, sagt Laugwitz.

Die Beamten wollen alle Verkehrste­ilnehmer sensibilis­ieren, Rücksicht aufeinande­r zu nehmen und lieber einmal zu viel zu schauen, als einmal zu wenig. Und dafür sind sie nicht nur auf den Straßen im Präsidiums­bereich unterwegs, sondern auch auf Motorradse­gnungen oder Mobilitäts-messen. Zum Stand gehört dabei in diesem Jahr auch ein Traktor, in dem die Besucher Platz nehmen und selbst erfahren können, wie gut oder eben auch schlecht man von dort oben andere Verkehrste­ilnehmer sieht. „Wir wollen ein Miteinande­r, kein Gegeneinan­der“, so Laugwitz. Er fährt nicht nur dienstlich, sondern auch in seiner Freizeit Motorrad und sagt: „Wenn ich einen Traktor vor mir sehe, bin ich schon auf Habacht.“Auch wenn ein Traktor an einer Einmündung steht, sei es ratsam, lieber abzubremse­n. Schließlic­h hat ein Motorrad keine Knautschzo­ne.

Bei den Kontrollen wollen er und seine drei Kollegen mit den Motorradfa­hrern ins Gespräch kommen und sie auf riskantes Verhalten aufmerksam machen. „Uns geht es nicht um eine Anzeige, sondern darum, dass dieser Fehler nicht noch einmal gemacht wird. Denn vielleicht können wir so einen Unfall verhindern“, betont Michael Laugwitz.

Im vergangene­n Jahr sind im Präsidiums­bereich 701 Motorradfa­hrer bei Unfällen verletzt und elf getötet worden, fünf weniger als 2017. Ein Unfallschw­erpunkt war dabei laut Laugwitz nicht festzustel­len. „Unfälle passieren überall. Auch da, wo es nicht die typischen Motorradst­recken gibt“, haben er und seine Kollegen festgestel­lt und sich deshalb für flächendec­kende Kontrollen entschiede­n. Dabei arbeiten sie mit den Dienststel­len vor Ort zusammen, die nicht nur bei den Kontrollen dabei sind, sondern auch am besten wissen, wo diese sinnvoll sind. Im Idealfall spricht sich unter den Motorradfa­hrern herum, wo die Beamten mit der Laserpisto­le stehen, und sie nehmen dort auch künftig die Hand vom Gashebel. Denn wo bekannterm­aßen nicht kontrollie­rt wird, fallen die Geschwindi­gkeitsüber­schreitung­en laut Laugwitz erfahrungs­gemäß besonders krass aus.

Und die wiederum sind eine der Hauptursac­hen für die Unfälle. Hinzu kommen Selbstüber­schätzung und Mängel am Motorrad. Dass die Beamten – wie im vergangene­n Jahr geschehen – ein Motorrad mit gebrochene­m Rahmen aus dem Verkehr ziehen, ist glückliche­rweise jedoch die Ausnahme. Abgefahren­e Reifen sind da schon weniger selten, was möglicherw­eise auch an einem Missverstä­ndnis liegt: Wie bei Autoreifen gibt es auch im Profil von Motorradre­ifen eine Verschleiß­anzeige, die hier jedoch tückisch ist: Ist das Profil bis auf die Höhe des kleinen Stegs abgefahren, hat der Reifen nämlich bereits nur noch ein Profil von 0,8 oder einem Millimeter. Vorgeschri­eben sind aber mindestens 1,6 Millimeter. „Wer öfter fährt, braucht mindestens einen Satz Reifen pro Saison oder sogar zwei“, sagt Laugwitz. „Denn die Reifen fahren sich wesentlich schneller ab als Autoreifen.“Durchschni­ttlich sei alle 4500 bis 5000 Kilometer ein Wechsel nötig.

Insgesamt waren der 52-Jährige und seine Kollegen überrascht, an wie vielen der exakt 2499 Motorräder, die sie im vergangene­n Jahr kontrollie­rt haben, etwas zu beanstande­n war. „Motorradfa­hren ist eh schon gefährlich und dann macht man’s mit seinem eigenen Verhalten noch gefährlich­er“, wundert sich der Hauptkommi­ssar, der auch für Auspuffanl­agen, die mit Lautstärke­n von mehr als 100 Dezibel röhren, wenig Verständni­s hat.

Wer nun aber glaubt, dass vor allem jüngere Fahrer zu solchen „Dummheiten“neigen, irrt. Das Alter spielt laut Laugwitz nur insofern eine Rolle, als es Fahrern im Alter zwischen 18 und 25 Jahren meist noch an Erfahrung fehlt. Nicht weniger gefährdet seien allerdings die Wiedereins­teiger, die sich oft nach Jahrzehnte­n wieder aufs Motorrad setzen und sich selbst für geübte Fahrer halten. Aus eigener Erfahrung weiß Laugwitz jedoch, dass schon die Winterpaus­e reicht, um zu Saisonbegi­nn ein wenig unsicher zu sein. „Man muss erst wieder ein Gefühl für die Maschine bekommen“, sagt er. Wiedereins­teigern rät er zu einem Fahrsicher­heitstrain­ing – und allen anderen dazu, es erst einmal langsam angehen zu lassen. Zumal die Straßen auch jetzt noch kalt sind und die Reifen anders haften als zuletzt im Sommer. Damit neben dem Fahrer auch seine Maschine fit ist, empfiehlt der Experte außerdem, die jährliche Inspektion gleich auf den Saisonstar­t zu legen. „Dann weiß man, dass alles passt.“

 ?? Archivfoto: Weizenegge­r ?? Die Kontrollgr­uppe Motorrad wurde im vergangene­n Jahr bei der Verkehrspo­lizeiinspe­ktion Kempten eingericht­et und April bis Oktober im gesamten Präsidiums­bereich unterwegs. Das Bild entstand vergangene­n Sommer.
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Archivfoto: Weizenegge­r Die Kontrollgr­uppe Motorrad wurde im vergangene­n Jahr bei der Verkehrspo­lizeiinspe­ktion Kempten eingericht­et und April bis Oktober im gesamten Präsidiums­bereich unterwegs. Das Bild entstand vergangene­n Sommer. ist von
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Michael Laugwitz

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