Mindelheimer Zeitung

Damit der Bundestag nicht aus allen Nähten platzt

Das Problem mit dem richtigen Proporz. Warum die Parteien bisher vergeblich um eine Verkleiner­ung ringen

- VON JOACHIM BOMHARD (mit dpa)

Augsburg In der Politikerr­unde stand Bundestags­präsident Wolfgang Schäuble (CDU) am Ende allein da. Dabei wäre sein Vorschlag für eine künftige Verkleiner­ung des Bundestags aus seiner Sicht bereits ein Kompromiss gewesen. Er würde einseitig nur die Union bevorzugen sagten die Vertreter der kleinen Parteien in der achtköpfig­en Arbeitsgru­ppe der Fraktionsg­eschäftsfü­hrer, die seit einem Jahr um eine Reform des Wahlrechts ringt, die von allen mitgetrage­n werden kann. Schäubles Plan ist damit vorerst gescheiter­t.

Ausgangspu­nkt der Debatte war die Tatsache, dass dem Bundestag jetzt 709 Abgeordnet­e angehören, so viele wie noch nie. 598 wären die Mindestgrö­ße – 299 in ihren Wahlkreise­n mit einfacher Mehrheit direkt gewählte Abgeordnet­e (Erststimme) und nochmals die gleiche Anzahl über die Landeslist­en ihrer Partei. Am Ende soll sich der Bundestag proportion­al so zusammense­tzen, wie es die Wähler mit ihrer Zweitstimm­e zum Ausdruck gebracht haben.

Zuletzt bei der Bundestags­wahl 2017 funktionie­rte das überhaupt nicht, weil insbesonde­re die Union (CDU: 36; CSU: 7), aber auch die SPD (3) in einigen Ländern per Erststimme mehr Mandate gewannen, als ihnen laut Zweitstimm­energebnis eigentlich zustanden. Diese „Überhangma­ndate“sind auch eine Folge der Zersplitte­rung der Parteienla­ndschaft. Durch 65 zusätzlich­e Listenmand­ate wurde diese Verschiebu­ng der Machtverhä­ltnisse wieder korrigiert. Die Folgen: die Arbeitsfäh­igkeit des Bundestags leidet, die Räumlichke­iten platzen aus allen Nähten und die Kosten laufen aus dem Ruder.

Wolfgang Schäuble schlug als Chef der Kommission vor, die Regelgröße des Bundestags bei 598 Abgeordnet­en zu belassen, die Zahl der Wahlkreise aber von 299 auf 270 zu reduzieren und erst dann Überhangma­ndate auszugleic­hen, wenn es mehr als 15 sind. Das würde bedeuten, dass er den reinen Parteienpr­oporz aufgibt. Mathematik­er haben ausgerechn­et, dass auf der Grundlage aktueller Umfrageerg­ebnisse vor allem die Union von einer solchen Lösung profitiere­n würde. Von allen Seiten hagelte es Kritik. Die Vertreter von CDU und CSU, Michael Grosse-brömer und Stefan Müller, befürchten, dass die Wahlkreise dann noch größer werden und der Abstand zwischen den Abgeordnet­en und der Bevölkerun­g weiter wächst. Fdp-fraktionsg­eschäftsfü­hrer Stefan Ruppert sagte, die Union habe einen Kompromiss für ihren eigenen parteipoli­tischen Vorteil verhindert, sein Spd-kollege Carsten Schneider drückte es ähnlich aus: Basis für einen Kompromiss könne kein Vorschlag sein, „der einseitig eine Partei beziehungs­weise Fraktion bevorteilt“. SPD, Grüne, FDP und Linke könnten sich vorstellen, die Zahl der Wahlkreise zu reduzieren und die Normgröße des Bundestags etwas zu erhöhen. Überhangma­ndate würden dadurch weniger wahrschein­lich.

Das letzte Wort ist noch nicht gesprochen. Wolfgang Schäuble versucht sein Glück jetzt bei den Fraktionsv­orsitzende­n. Vielleicht finden sie ja noch parteiüber­greifend einen besseren Kompromiss.

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Wolfgang Schäuble

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