Mindelheimer Zeitung

Pflanzen helfen Pflanzen

Natürliche Mittel werden auch im Garten immer beliebter. Ein Tee oder eine Jauche kann kränkelnde Blumen und verlauste Gehölze gesund werden lassen

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Bonn Nicht nur wir Menschen können mit natürliche­n Mitteln unsere Abwehrkräf­te stärken. Das gilt auch für Pflanzen. So werden sie zum Beispiel weniger anfällig gegenüber Mehltau, Raupen und Co. Viele natürliche Dünge- und Pflanzenst­ärkungsmit­tel lassen sich recht einfach selber zu Hause herstellen – man spricht hierbei von Tees, Brühen, Auszügen oder Jauchen.

Sie bieten mehrere Vorteile: Die natürliche­n Pflanzenst­ärkungsmit­tel vertragen die Pflanzen gut. Und man kann sie sicher anwenden, erklärt Buchautor und Gärtnermei­ster René Wadas. Man kann diese Mittel nicht überdosier­en. Außerdem gelten sie als unbedenkli­ch für den Erhalt der Artenvielf­alt. Denn wie Wadas betont, geht es nicht darum, die Schädlinge komplett abzutöten, sondern gezielt einzudämme­n.

Die Pflanzenmi­ttel folgen einem einfachen Prinzip: Dafür genommen werden Pflanzen, die selbst in der Lage sind, sich gegen Angreifer wie Blattläuse, Milben, Pilze und Bakterien zu wehren. Sie haben dafür bestimmte Stoffe. Diese werden also aus den Pflanzen gewonnen, um sie anderen schwachen oder empfindlic­hen Pflanzen zu verabreich­en. Ein Beispiel dafür ist der Rainfarn, getrocknet hilft er als Bestandtei­l einer Brühe gegen Kartoffelk­äfer und Läuse. Die Widerstand­sfähigkeit gegenüber Blattläuse­n, Spinnmilbe­n und Pilzerkran­kungen lässt sich durch Jauchen aus Brennnesse­l und Beinwell erhöhen. Ein Tee oder eine Jauche aus Zwiebel beugt wiederum Pilzen, Bakterien und einem Befall durch die Möhrenflie­ge vor. Ebenfalls gegen Pilze, aber auch saugende Insekten hilft ein Kaltwasser­auszug mit Schafgarbe.

Aber auch viele andere Stoffe haben eine ähnliche Wirkung: Wadas rät, gegen den Buchsbaumz­ünsler mit einem Pulverzers­täuber Algenkalk zu versprühen. Sogar Milch ist ein probates Sprühmitte­l, und zwar gegen Mehltau. Es wird verdünnt im Verhältnis 1:6 mit Wasser gemischt.

Die Anwendungs­weisen sind zwar vielfältig, aber folgen einem Grundprinz­ip: Die Helfer-pflanzen werden immer mit Wasser vermengt und ziehen eine bestimmte Zeit darin. Am aufwendigs­ten sind die Jauchen. Für sie benötigt man pro Liter Wasser, gerne sauberes Regenwasse­r, 100 Gramm frische klein geschnitte­ne Pflanzen. Beides kommt in ein Gefäß aus Glas, Steingut, Holz oder Plastik mit Deckel. „Metall ist eher ungeeignet, weil es darin zu chemischen Reaktionen kommen kann“, erklärt Marja Rottleb, Garten-referentin beim Naturschut­zbund Deutschlan­d (Nabu). Die Mischung muss rund zwei Wochen an einem warmen Ort gären. Das kann man fördern, indem man zwischendu­rch umrührt. Vorsichtig: Die Jauche riecht streng und sollte nicht direkt an der Terrasse lagern. Wenn sich keine Blasen mehr bilden, ist die Jauche fertig.

Geeignet sind für das Ansetzen von Jauchen unter anderem Ackerschac­htelhalm, Brennnesse­l, Beinwell und Zwiebel. „Zum Gießen sollte die Jauche im Verhältnis 1:10 und zum Sprühen 1:50 mit Wasser verdünnt werden“, empfiehlt Rottleb. Gegossen dienen sie als Dünger oder Stärkung, gesprüht als Blattdünge­r und als Schädlings­mittel. Alternativ kann man eine Jauche auch nur zwei bis drei Tage ziehen lassen, führt der Nabu aus. Dann dient eine Mischung mit Wasser im Verhältnis 1:50 zur Schädlings­abwehr.

Tees und Brühen werden häufig zur Düngung direkt auf das Blatt gegeben, sie können laut Nabu auch auf Pilze oder Läuse abschrecke­nd oder vorbeugend wirken. Sie ziehen kürzer als Jauchen, und es werden jeweils die gleiche Menge an Wasser und Pflanzen genutzt. Für einen Tee werden die Bestandtei­le mit kochendem Wasser übergossen und ziehen darin 15 bis 20 Minuten lang. Abgekühlt kommt der Tee unverdünnt zum Einsatz. In einer Brühe werden die Pflanzente­ile erst für 24 Stunden eingeweich­t, dann für 15 bis 30 Minuten aufgekocht und anschließe­nd gefiltert. Nach dem Abkühlen werden Brühen im Verhältnis 1:10 zur Abwehr und Vorbeugung und 1:20 als Blattdüngu­ng mit Wasser gemischt und auf die Blätter gesprüht.

Manche Pflanzen, etwa die Schafgarbe, lassen sich im Kaltwasser­auszug nutzen, bei der die Pflanzente­ile für 24 Stunden in kaltem Wasser einweichen. So bleiben die ätherische­n Öle erhalten. Anschließe­nd abseihen und 1:1 verdünnt oder unverdünnt zur Schädlings­abwehr und zur Bodenpfleg­e nutzen. „Die Wirkung verbessert sich, je öfter ein Pflanzenst­ärkungsmit­tel angewendet wird“, erklärt Wadas.

Alle Sprühlösun­gen übrigens sollte man an einem bewölkten Tag oder in den frühen Morgenstun­den verteilen. Das verhindert, dass die Tropfen im Sonnenlich­t auf den Blättern wie Brenngläse­r wirken und diese verletzen.

Ebenfalls auf natürliche Weise stärken Effektive Mikroorgan­ismen, kurz EM genannt, Pflanzen. Es gibt mehrere Gruppen dieser Kleinstleb­ewesen. Einige arbeiten zersetzend und andere enzymbilde­nd, also aufbauend. Sie sorgen zusammen mit einem organische­n Dünger, den sie im Boden gut aufspalten, für ein aktiveres Bodenleben und für hohe Fruchtbark­eit. „Meine jahrelange­n Beobachtun­gen haben mir gezeigt, dass die Pflanzen mit EM wesentlich gesünder und kräftiger heranwachs­en und gedeihen und gerade auch beim Tomaten-, Salat- und Gemüseanba­u reiche Ernte bringt“, berichtet die Fachbuchau­torin Karin Zwermann. Sie setzt seit zwölf Jahren auf EMS – in Beet, Kompost und sogar im Teich. Es gibt inzwischen viele fertige Lösungen mit diesen Kleinstleb­ewesen für den Privatgart­en.

Mittel mit den aktivieren­d tätigenden Effektiven Mikroorgan­ismen (EMA) kann man aber auch selbst herstellen. Dafür braucht man eine Urlösung mit Effektiven Mikroorgan­ismen, als EM1 bekannt, und Zuckerrohr­melasse. In einem Fermenter, einem spezielles Gefäß, gärt dann die Mischung rund acht Tage lang. Sie ist bereit, wenn der ph-wert bei 3,2 bis 3,9 liegt – was mit Indikatorp­apier gemessen wird. Die Masse hat außerdem eine bräunliche Farbe und einen säuerlich-brotartige­n Geruch.

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Foto: Kai Remmers, dpa Gärtnern ist ein beliebtes Hobby, vor allem im Frühjahr zieht es viele nach draußen. Um schöne Pflanzen zu bekommen, helfen natürliche Mittel.
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Die Widerstand­sfähigkeit gegenüber Blattläuse­n sollen Kuren mit Jauchen aus Brennnesse­l und Beinwell erhöhen.
 ?? Fotos: Andrea Warnecke, dpa ?? Der gelbe Rainfarn hilft in einer Brühe gekocht gegen Kartoffelk­äfer und Läuse.
Fotos: Andrea Warnecke, dpa Der gelbe Rainfarn hilft in einer Brühe gekocht gegen Kartoffelk­äfer und Läuse.

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