Zu jung zum Wählen?
Der bayerische Kultusminister Piazolo fordert, Jugendliche ab 16 Jahren zu Kommunalwahlen zuzulassen. Aber können die das überhaupt?
München Wählen mit 16: Das fordert der bayerische Kultusminister Michael Piazolo (Freie Wähler). Er möchte Jugendliche ab 2026 mitbestimmen lassen – zunächst bei Kommunalwahlen. „Ich bin der Auffassung, dass junge Leute ab 16 durchaus in der Lage sind, eine Wahlentscheidung zu fällen, wenn sie entsprechend von Schule und Gesellschaft darauf vorbereitet werden“, sagte Piazolo im Gespräch mit unserer Redaktion. Das gelte insbesondere für das kommunale Umfeld, in dem die Jugendlichen aufgewachsenen sind und sich auskennen. Diese Position vertrete er aber bereits seit vielen Jahren, sagte der Minister.
„Das ist im Moment unsere Fraktions-position, aber nicht die der Staatsregierung“, betonte Piazolo. Der Koalitionspartner CSU lehnt den Vorschlag ab, die Partei hält einen Gleichklang von Volljährigkeit und Wahlalter für richtig. Rechte und Verantwortung sollten miteinander korrespondieren. Laut Innenminister Joachim Herrmann (CSU) brauche es für eine politische Urteilsfähigkeit eine gewisse Lebenserfahrung. Die Grünen, SPD, FDP und Linken unterstützen Piazolos Forderung.
Die SPD scheiterte am Donnerstag aber mit ihrem Antrag zur Senkung des Wahlalters ab den Kommunalwahlen 2020 im Rechtsausschuss des Bayerischen Landtags an der Csu-mehrheit. Auch die Freien Wähler stimmten dagegen – jedoch nur, weil die Umsetzung bereits im kommenden Jahr unpraktikabel sei. „Ich halte das für verfrüht, das wäre ein Schnellschuss“, sagte Piazolo. So manche Aufstellungsversammlung für die Wahl sei bereits gelaufen, wenn, dann wolle man auch junge Menschen auf die Listen bringen.
„Sicher nicht im Fokus“seiner Forderung standen für Piazolo eine höhere Wahlbeteiligung oder gar mehr Stimmen für die Freien Wähler. „Bei den Erstwählern liegen wir sicher nicht über dem Trend. Das zeigt jedoch, wie ernsthaft mir das Anliegen ist.“Eine hohe Beteiligung sei aber natürlich trotzdem wichtig.
Doch sind 16-Jährige überhaupt in der Lage zu wählen? „In vielen Gesprächen und Schulbesuchen habe ich den Eindruck gewonnen, dass sich 16-Jährige durchaus intensiv mit Politik auseinandersetzen“, sagte Piazolo. Das bestätigt Landesschülersprecher Joshua Grasmüller aus Kempfenhausen bei Starnberg. „Das Interesse junger Menschen an Politik ist hoch.“Das gelte sicher nicht für jeden Jugendlichen, lenkte Piazolo ein. Volljährige würden jedoch auch nicht darauf geprüft, ob ihre Wahl-entscheidungen auf absolut rationalen Grundlagen und viel Wissen basieren.
Politisches Wissen bekommen Jugendliche vor allem in der Schule vermittelt – doch genau das kommt in Bayern laut einer aktuellen Studie der Universität Bielefeld zu kurz. Piazolo hingegen ist prinzipiell zufrieden mit dem Lehrplan im Freistaat: „Wir machen in den Schulen bereits einiges in der politischen Bildung.“Dennoch könne man das Thema immer noch weiter ausbauen. Kämen die Wahlen mit 16, „würde man sicher auch über den ein oder anderen Lehrinhalt nachdenken“.
Und was halten die Betroffenen von der Idee? „Wir begrüßen den Vorschlag zu 100 Prozent. Es ist gut, dass der Vorstoß dazu aus der Politik kommt“, sagt Grasmüller. Der 16-Jährige hofft, dass Piazolos Idee auch umgesetzt wird. Für ihn ist es wenig verwunderlich, dass sich die CSU gegen den Vorschlag ausgesprochen hat. „Die Partei hat in den vergangenen Wahlen nicht das Ergebnis bei den jungen Wählern erzielt, das sie sich gewünscht hat.“Grasmüller könnte sich auch ein Wahlrecht auf Bundesebene vorstellen, zunächst sollte es aber kommunal umgesetzt werden.
Dass sich Kinder und Jugendliche für Politik interessieren, zeigen auch die U18-wahlen. Sie finden immer neun Tage vor einer richtigen Wahl statt, abstimmen kann jeder unter 18 Jahren. An den bayerischen U18-landtagswahlen nahmen 61 000 Kinder und Jugendliche teil – so viele wie nie. Bei der Bundestagswahl 2017 stimmten nur 28 000 unter 18-Jährige in Bayern ab. Sieger der U18-landtagswahl waren übrigens die CSU mit 24 und die Grünen mit 23 Prozent. » Kommentar