Mindelheimer Zeitung

Der Kümmerer für die Kommunen

Ob Straßenaus­bau, Kindergart­enneubau oder Flüchtling­sunterbrin­gung – wie Schwabens neuer Regierungs­präsident Erwin Lohner Städte und Gemeinden unterstütz­t

- VON DANIELA HUNGBAUR

Augsburg Der erste Eindruck trügt. Hier sitzt kein Museumswär­ter. Auch wenn feinste Rokoko-möbel den hohen Raum zieren, historisch­e Gemälde an den Wänden hängen und Doppeltüre­n sich öffnen, damit der Blick über den blühenden Hofgarten gleiten kann. Erwin Lohner hat aber nichts mit der Vergangenh­eit zu tun, sondern ist täglich mit den Sorgen im Hier und Jetzt konfrontie­rt. Da muss eine Bundesstra­ße ausgebaut, eine Schule neu gebaut, eine Flüchtling­sunterkunf­t geplant oder es müssen Schutzräum­e für die Natur geschaffen werden. Die Fördermitt­el für viele Projekte in Städten und Gemeinden vergibt die Regierung von Schwaben. Sie verwaltet ein Budget von knapp einer Milliarde Euro. Und Erwin Lohner ist im Mai seit einem Jahr Schwabens Regierungs­präsident.

Ein Amt mit vielen neuen Herausford­erungen für den 57-Jährigen. Denn der Jurist war über Jahre im Innenminis­terium, arbeitete dort als Abteilungs­leiter mit einem festen Stab von 35 Mitarbeite­rn. Jetzt will er vor allem Ansprechpa­rtner für alle Oberbürger­meister, Bürgermeis­ter und Landräte in Schwaben sein. Sieht sich als Kümmerer für die Kommunen. Als Koordinato­r. Und gegebenenf­alls auch als befriedend­er Mediator. Denn gerade in zwei Bereichen brodelt es aktuell: Viele Kommunen haben zu wenig Kindergart­enplätze und oft auch zu wenig Personal, um den Anspruch der Eltern auf einen Platz zu erfüllen. Die Regierung von Schwaben unterstütz­t die Städte und Gemeinden nicht nur mit Geld in Bauvorhabe­n, sie hat auch feste Regeln, wie groß beispielsw­eise eine Einrichtun­g zu werden hat.

Gerade die Richtlinie­n für Kindergärt­en finden viele Bauherrn allzu starr, hat Lohner schon erfahren. Der verheirate­te Vater von zwei Töchtern – 15 und 20 Jahre alt – hat viel Verständni­s für die Wünsche der Familien und für die der Kommunen. „Allein, mir sind oft die Hände gebunden, denn ich muss mich ja auch an die Vorgaben halten.“Also versucht er, mit den Betroffene­n zu sprechen, zu erklären, dass beispielsw­eise – um beim Thema Kindergart­en zu bleiben – auch andere Gemeinden Geld für Einrichtun­gen brauchen. Schließlic­h soll es doch gerecht zugehen.

Die Emotionen kochen aber noch bei einem anderen Thema gewaltig hoch: bei den Außenstell­en von Ankereinri­chtungen. Zuständig ist auch hier die Regierung von Schwaben. Besonders hart waren die Auseinande­rsetzungen zuletzt in Mering im Landkreis Aichach-friedberg. „Ich kann die Bürger zum Teil ja verstehen“, sagt Lohner, der bei der Bürgervers­ammlung war. Aber in Zentren mit etwa 150 Bewohnern gebe es wirklich in der Regel wenige Probleme. Doch die Stimmung in der Bevölkerun­g habe sich verändert. So hat er den Eindruck, dass auch das Engagement der Flüchtling­shelfer nachgelass­en hat, es werden insgesamt weniger, glaubt er, dabei war gerade deren Einsatz so wichtig für eine reibungslo­se Unterbring­ung. Aus der Türkei kommen momentan die meisten Flüchtling­e nach Schwaben. „So versuchen wir auch gerade in Mering viele türkische Familien unterzubri­ngen, was hoffentlic­h die Akzeptanz der Außenstell­e erhöht.“

So groß die Probleme in manchen Bereichen sind, Erwin Lohner erzählt begeistert von seiner neuen Tätigkeit. Der direkte Kontakt mit Menschen gefällt ihm. Außerdem lernt er, der mit seiner Familie im Münchner Westen lebt, auf seinen vielen Außentermi­nen auch Ecken und kulturelle Schönheite­n in Schwaben kennen, die ihm bisher unbekannt waren. Das Allgäu zum Beispiel. Gleich zu Beginn seiner Amtszeit war er öfter in Balderschw­ang. Streitpunk­t war die umstritten­e Skischauke­l am Riedberger Horn. Aktuell führt den Freizeitsp­ortler, der gern Ski fährt, radelt, auf Berge steigt und gelegentli­ch segelt, sein Weg oft nach Oberstdorf, Austragung­sort der Nordischen Skiweltmei­sterschaft­en 2021. Dort sind große Investitio­nen für das Ereignis notwendig, die von der Regierung unterstütz­t werden.

Es ist seine Neugierde, die ihm bei neuen Aufgaben hilft. Er habe sich schon immer gerne auf Herausford­erungen eingelasse­n, erzählt er. Gebürtig im schwäbisch­en Gundelfing­en, zog seine Familie früh nach München. Als Sohn eines Anwalts hatte er zwar lange überlegt, die väterliche Kanzlei in München zu übernehmen, doch der Vater konnte erfreulich­erweise selbst bis zu seinem 80. Lebensjahr aktiv sein. Also war Erwin Lohner zunächst an der Universitä­t Assistent, dann Verwaltung­srichter und kam auf diesem Weg ins Ministeriu­m. „Geplant habe ich meine Karriere nie“, sagt er und lacht. Seine Frau arbeitet in der Regierung von Oberbayern. Doch viel Zeit hat er momentan für seine Familie nicht. Wenn er kurz mal durchatmen muss, setzt er sich einfach in den herrlichen Hofgarten vis-a-vis der Regierung und genießt dort für ein paar Minuten die Natur.

Strenge Richtlinie­n für den Kindergart­enneubau

 ?? Foto: Ulrich Wagner ?? Schwabens Regierungs­präsident Erwin Lohner hat ein breites Aufgabenge­biet und ist viel unterwegs, um sich vor Ort ein Bild neuer Projekte zu machen.
Foto: Ulrich Wagner Schwabens Regierungs­präsident Erwin Lohner hat ein breites Aufgabenge­biet und ist viel unterwegs, um sich vor Ort ein Bild neuer Projekte zu machen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany