Mindelheimer Zeitung

Der Triumphbog­en für Christo

Noch einmal kehrt der große Verhüllung­skünstler an den Ort seiner ersten Erfolge zurück. 2020 lässt er das französisc­he Nationalmo­nument einpacken und einschnüre­n

- VON RÜDIGER HEINZE

Hier, in Paris, kam der in Bulgarien geborene Christo 1958 an. Hier verliebte er sich in die exakt gleichaltr­ige Jeanne-claude (*13. Juni 1935), seine künstleris­che Mitstreite­rin über Jahrzehnte. Hier begann er, Dinge zu verhüllen, Dinge des Alltags, zum Beispiel ein Fahrrad. Hier auch dachte er – skizzieren­d – bereits 1962 über eine Verhüllung des Arc de Triomphe de l’étoile auf dem Place Charles-de-gaulle mit dem Blick über die Champs-élysées nach. Aber dieses Projekt war zu dieser Zeit für Christo noch chancenlos: Der Arc de Triomphe, dieses nationale Monument, war als Altar des Vaterlande­s für die Siege Napoleons und die französisc­hen Opfer des Ersten Weltkriegs („Ewige Flamme“) sakrosankt – vergleichb­ar dem Berliner Reichstag einst, den Christo dann 1995 verhüllte.

Aber 1984 erhielten Christo und Jeanne-claude nach neunjährig­en Interventi­onen immerhin die behördlich­e Erlaubnis, den Pont Neuf über die Seine in Paris zu verhüllen – da lebten die beiden seit 20 Jahren schon in New York und waren bereits auf der Documenta in Kassel vertreten (1968). 1985 wurde das Projekt realisiert – wie immer auf eigene Kosten, die hauptsächl­ich durch den Verkauf von Zeichnunge­n und Auflagengr­afik beglichen

Christo: „Warum hat Claude Monet die Kathedrale von Rouen gemalt?“

werden. Auch das Prinzip „Überwindun­g von (behördlich­em) Widerstand“gehört seit jeher zu Christo und seiner 2009 verstorben­en Frau. Freilich: In Europa und in den USA würde man sich mittlerwei­le vielerorts die Finger lecken, wenn Christo nach gehabtem Widerstand die Hand anlegen wollte – wohingegen die für Abu Dhabi vorgesehen­e riesige Fässerskul­ptur „The Mastaba“seit 1977 nicht vorankommt und bislang nur in einer Mini-version 2018 in London realisiert wurde.

Paris aber hat das Glück, 1962 den verhüllten Arc de Triomphe verhindert zu haben – um ihn nun mit Aplomb zu gestatten. Christo wird ihn 2020 von 30 bis 40 schwindelf­reien Alpinisten mit 25 000 Quadratmet­er recycelbar­en, blausilber­nen Polypropyl­en-kunststoff und 7000 Meter roter Kordel verpacken lassen. Dass das zwischen dem 6. und 19. April 2020 eine werden wird für Paris, kann schon jetzt als ausgemacht­e Sache gelten, nachdem

fête

Christos letztes Großprojek­t, die „Floating Piers“über den italienisc­hen Lago d’iseo (2016), von 1,3 Millionen Besuchern überrannt worden war. 1,3 Millionen Besucher, die auf orangefarb­en bespannten schwimmend­en Stegen über Wasser wandelten.

In Sachen Arc de Triomphe hat Christo seinen Antrieb folgenderm­aßen formuliert: „Warum hat Claude Monet die Kathedrale von Rouen gemalt? Er wollte sie in seinem Stil neu interpreti­eren, so, wie er sie sah: blau, gelb … Und wir interpreti­eren eine menschenge­schaffene Architektu­r neu, damit sie ein Kunstwerk wird.“Und Christo fügt hinzu, dass dieses Kunstwerk nicht statisch sein wird: Der Polypropyl­en-stoff werde den Arc de Triomphe locker umhüllen, damit er im Wind weht, er werde das Licht reflektier­en – und er dürfe von den Besuchern angefasst werden.

Die Ankündigun­g aus Paris kommt jetzt kurz vor dem Bundesstar­t einer Kino-dokumentat­ion über Christo (11. April), in deren Mittelpunk­t die schwierige Realisieru­ng der „Floating Piers“steht. In Europa konnten sie fast nur in Italien verwirklic­ht werden – aufgrund der hohen Sicherheit­sbestimmun­gen anderer Länder. Christo zeigt sich in der Doku nicht nur als leidenscha­ftlicher, sondern bisweilen auch durchsetzu­ngsstark-zorniger Künstler. Wie Sigmar Polke ist er der Auffassung: Leicht kann jeder … – um das Optimum seiner Vorstellun­gen zu erreichen. Mit der virtuellen Welt kann er nichts anfangen. Er liebt „the real things“, zum Beispiel: wirklichen Wind, wirkliche Nässe, wirkliche Freude.

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Foto: afp, Christo & Jeanne-claude, André Grossmann Es schimmert schon silbern-bläulich: eine aktuelle Skizze von Christo zu seinem im kommenden Jahr verhüllten „Arc de Triomphe“in Paris.
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