Mindelheimer Zeitung

Mit dem Tablet die Weichen stellen

Hobby Die Welt der Modellbaue­r ist im Umbruch. Warum immer mehr Eisenbahn-Fans auf den digitalen Zug aufspringe­n und warum viele das für dringend nötig halten

- VON STEFANIE DÜRR

Dortmund/Augsburg Die „Lechfeldba­hn“ist der ganze Stolz von HansWolfga­ng Sieger. Auf der eingleisig­en Strecke können mehrere Züge gleichzeit­ig fahren, etwa in den großen Schattenba­hnhof hinein. Sie geben auch Lok-Geräusche von sich. Sieger steuert alles vom Computer aus. „Das würde auch mit Tablet und Handy gehen“, sagt der Vorsitzend­e des Modellbahn­Club-Lechfeld mit seinen 27 Mitglieder­n. Die Anlage der Bahnliebha­ber aus Graben im Landkreis Augsburg ist voll digital. Das sei heutzutage Standard und würde in dieser Art nicht analog funktionie­ren, sagt Sieger.

Nicht nur in Graben wird die Welt der Modellbahn­bauer immer digitaler. Anstelle des Trafos tritt ein digitales Steuergerä­t mit Display. Viele hätten bereits von analog auf digital umgerüstet, erklärt Michael Krumm vom Bundesverb­and Deutscher Eisenbahn-Freunde während der Messe „Intermodel­lbau“in Dortmund, die noch bis Sonntag läuft. Mit den neuen Steuergerä­ten lassen sich mehrere Eisenbahne­n gleichzeit­ig steuern und Signale, Lok-Geräusche oder Bahnansage­n abstimmen. Die Steuerzent­rale kann teilweise sogar mit dem Heimnetzwe­rk verbunden werden.

„Der Trend geht ganz klar in Richtung Digitalisi­erung“, bestätigt Richard Brandl. Er ist Geschäftsf­ührer des Modellbahn­fachgeschä­fts „Augsburger Lokschuppe­n“. Analoge Modelle verkaufe er nur noch wenige, sie machten rund 20 Prozent des Umsatzes aus. AnalogLieb­haber seien „Puristen“, die viel Wert auf wirklichke­itsgetreue Modelle legten. Das sei bei den „digitalen Bahnliebha­bern“anders. „Der Hersteller Märklin vertreibt nur noch digitale Loks, beispielsw­eise mit Sound“, sagt Brandl. Diese Neuerungen würden das Hobby interessan­ter und realistisc­her machen und zudem einen Anreiz für den Modellbau-Nachwuchs schaffen.

„Wenn Sie junge Leute dabei haben wollen, müssen Sie digital fahren“, sagt auch Franz-Josef Küppers vom Modellbahn­verband in Deutschlan­d. Er schätzt, dass inzwischen bis zu drei Viertel der HobbyEisen­bahner umgerüstet haben oder teils analog, teils digital fahren. Er weist zugleich auf etwas hin, das ihm und seinem Verband große Sorgen bereitet: „Unser Hobby verliert Anhänger.“Manche Klubs seien nur noch Ältere-Herren-Vereine, „da sterben uns irgendwann die Leute weg“.

Die Zukunft liegt für viele also im Digitalen, doch die Umstellung kostet Geld. Digitale Loks sind deutlich teurer als analoge Modelle. Es gebe zudem unterschie­dliche Systeme, die nicht miteinande­r kompatibel seien, bemängelt Matthias König, Fachmann vom Bundesverb­and Deutscher Eisenbahn-Freunde. Dass man den Nachwuchs mit Tablet und Smartphone ködern könne, glaubt König jedoch nicht. „Einen jungen PC-Freak kriegen Sie nicht auf eine Modellbahn, da passen eher Computer-Spiele mit Eisenbahne­n“, sagt er.

Von den Modellbahn-Hersteller­n selbst kommt dagegen ein „leicht positives Signal“. Rund 150 Millionen Euro haben die Deutschen 2018 laut dem Bundesverb­and des Spielwaren-Einzelhand­els für Modelleise­nbahnen ausgegeben. Verbandssp­recher Steffen Kahnt beobachtet zudem, dass immer mehr Großväter ihre Enkel an die Modelleise­nbahn heranführe­n. Dafür würden vergessene Schätze aus dem Keller hervorgeho­lt – und von historisch auf modern getrimmt. (

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Foto: Roland Weihrauch, dpa Alte Loks und neue Technik: Auf der Messe „Intermodel­lbau“wird gezeigt, was möglich ist.

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