Mindelheimer Zeitung

Frischluft­Kontakt

- VON RÜDIGER HEINZE mls@augsburger-allgemeine.de

Nun also neue vier Kennzeichn­ungen für Nahrungsmi­ttel, speziell für Frischflei­sch: a) Stallhaltu­ng, b) Stallhaltu­ng plus, c) Außenklima, d) Premium. Ob das zu Aufklärung führt? Es ist zu bezweifeln, stattdesse­n das Gegenteil anzunehmen: Verwirrung und Ignoranz. Man kann nur den Kopf darüber schütteln, wie hier existenzie­lle Mindestmaß­e verbrämt schöngered­et werden sollen. Um das festzustel­len, muss man kein Vegetarier sein.

Der, der weiß, wie wenig Stallhühne­rn gesetzlich zusteht an Lebensraum, kann nur die Fassung verlieren, wenn künftig dem Huhn bei Stallhaltu­ng plus zehn Prozent mehr, das sind wenige Quadratzen­timeter mehr, garantiert werden. Und nachgerade zynisch wird es, wenn in der dritten Qualitätss­tufe der Kennzeichn­ung dem künftigen Schlachtti­er auch „Außenklima“zugestande­n wird.

„Außenklima“, das bedeutet: „Frischluft-Kontakt“. Zwei Wortschöpf­ungen von bürokratis­cher Höchstleis­tung – womöglich unter Frischluft­kontakt in einer Gütesiegel-Legebatter­ie bei zehn Prozent mehr Schreibtis­chfläche zustande gekommen.

Frischluft­kontakt bedeutet: die Tiere erhalten frische Luft von außerhalb des Stalls („Außenklima“) – zum Beispiel durch Öffnungen in der Stallwand. Da fragt man sich, was erhalten eigentlich jene Tiere ohne Frischluft­kontakt? Wird da auf Lüftung vollkommen verzichtet? Oder haben die Hühner mit Frischluft­kontakt nur zehn Prozent mehr Frischluft­kontakt als das gemeine Stallhaltu­ngshuhn?

Der Frischluft­kontakt scheint auf jeden Fall ein enormer Fortschrit­t zu sein. Er wird dem Konsumente­n mit Brief und Siegel bescheinig­t. Bleibt nur zu hoffen, dass die Hühner, Schweine, Rinder mit Frischluft­kontakt auch gesunden Wasserkont­akt, Futterkont­akt, Schlafplat­zkontakt erhalten – vor ihrem Schlachtap­paratkonta­kt.

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