Mindelheimer Zeitung

Weimar zeigt sein anderes Gesicht

Eröffnung Nicht nur die Literatur der Klassik erlebte hier ihre Blüte. Das neue Bauhaus-Museum erinnert in seiner ersten Ausstellun­g an die „Widersprüc­he der Moderne“

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Weimar „Das Bauhaus kommt aus Weimar“: Der Titel der Ausstellun­g im neuen Bauhaus-Museum klingt selbstbewu­sst und erklärt zugleich, was viele Menschen nicht wissen. Die wohl einflussre­ichste Designund Kunstschul­e der Moderne wurde 1919 in Weimar gegründet. Richtig ist aber auch: Nach nur sechs Jahren wurde das Bauhaus von einer überforder­ten Bürgerscha­ft aus der Stadt gejagt und siedelte sich im liberalen Dessau an.

Das neue Weimarer BauhausMus­eum, das am Freitag eröffnet wurde, kreist um diese beiden Pole. Aus dem 13 000 Objekte umfassende­n Fundus der Klassik Stiftung wurden mehr als 1000 Exponate für die Ausstellun­g ausgewählt. Darunter sind natürlich die Ikonen der 1920er Jahre wie die berühmte Wiege von Peter Keler aus dem Jahr 1922, Wilhelm Wagenfelds zeitlos schöne Leuchte von 1924, Bilder von Lyonel Feininger, Paul Klee oder Oskar Schlemmer. Stellvertr­etend für ein Bild Wassily Kandinskys, das die Nazis 1937 aus den Sammlungen entfernten, hängt an einer Wand ein gelber Winkel.

Doch es sind nicht nur die Meister, deren Werk Museumsdir­ektorin Ulrike Bestgen den Besuchern näherbring­en möchte. Das Museum zeigt auch viele Arbeiten von Bauhaus-Schülern, die ursprüngli­ch gar nicht zum Ausstellen vorgesehen waren. Ergänzend ist auch aktuelle Kunst zu sehen. Für Bestgen ist das neue Haus „nicht das klassische Kunstmuseu­m“. Sie spricht lieber von „einem Experiment in einem schönen Haus“. Aufgeteilt auf fünf Etagen werden die Objekte in verschiede­nen Themenfeld­ern wie „Der Neue Mensch“oder „Die Bühne“präsentier­t. Den Abschluss des Rundgangs bilden die Suche nach Antworten auf die Frage „Scheitern? Und was bleibt?“und die Auseinande­rsetzung mit den drei Direktoren des Weimarer Bauhauses Walter Gropius, Mies van der Rohe und Hannes Meyer.

Insgesamt bietet sich dem Besucher nichts weniger als eine Interventi­on, die geeignet scheint, die kulturpoli­tische Landschaft über die Stadtgrenz­en hinaus nachhaltig zu beeinfluss­en. Das sieht auch der scheidende Präsident der Weimarer Klassik-Stiftung, Hellmut Seemann, so. Das neue Bauhaus-Museum werde „die intellektu­elle Physiognom­ie“von Stadt und Stiftung verändern, prophezeit er. Zu deren beiden Säulen – die Reformatio­n und die Zeit am Ende des 18. Jahrhunder­ts, beide gleicherma­ßen „der Beginn dessen, was wir heute Moderne nennen“– komme jetzt die Moderne hinzu, sagt Seemann.

Die Stadt hat es sich mit dem Standort für den 27 Millionen Euro teuren Museumsneu­bau nicht leicht gemacht. Jetzt ist er Kernstück für ein künftiges „Quartier der Moderne“. In direkter Nachbarsch­aft mit dem sogenannte­n Gauforum mit seiner trutzigen Architektu­r muss sich der Museumsent­wurf von Architekti­n Heike Hanada behaupten. Sie sei zunächst alles andere als glücklich mit dem vorgesehen­en Bauplatz gewesen, räumt Hanada ein. Mehr und mehr habe sie aber verstanden, welches Potenzial „das heterogene und verzwickte Umfeld“biete.

Dazu zählt auch das Neue Museum. Zeitgleich zur Eröffnung des Bauhaus-Museums startet dort die Ausstellun­g „Van de Velde, Nietzsche und die Moderne um 1900“. Ab dem kommenden Jahr soll zudem im Gauforum die Dauerausst­ellung „Zwangsarbe­it. Die Deutschen, die Zwangsarbe­iter und der Krieg“zu sehen sein. Damit werde das Bauhaus-Museum „zu einem Ort der Auseinande­rsetzung mit den Brüchen und Widersprüc­hen der Moderne, die sich in Weimar wie in einem Brennglas bündeln“, sagt Thüringens Kulturmini­ster Benjamin-Immanuel Hoff (Linke).

In den besten Jahren besichtigt­en 80 000 Besucher das bisherige Bauhaus-Museum am Theaterpla­tz, das von 1995 bis 2018 seinen Dienst als Provisoriu­m versah. Dort entsteht inzwischen mit dem „Haus der Weimarer Republik“ein weiterer Erinnerung­sort in der an Geschichte so reichen Stadt. Stadt und Stiftung hoffen nun auf einen neuen Besucherbo­om. Die Schweizer Architekti­n Barbara Holzer hat das Ausstellun­gskonzept des neuen BauhausMus­eums mitentwick­elt. Wer weiß, sagt die Professori­n, wer in 100 Jahren nach Weimar kommt? Nicht ausgeschlo­ssen, dass das Bauhaus bis dahin Goethe und Schiller den Rang abgelaufen hat. Dirk Löhr, epd

 ?? Foto: Sean Gallup, Getty Images ?? Die klare Form ist eine Reverenz an den Widmungstr­äger: das Bauhaus-Museum in Weimar. Seit Freitag ist das neue Haus in der Stadt von Goethe und Schiller eröffnet.
Foto: Sean Gallup, Getty Images Die klare Form ist eine Reverenz an den Widmungstr­äger: das Bauhaus-Museum in Weimar. Seit Freitag ist das neue Haus in der Stadt von Goethe und Schiller eröffnet.

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