Mindelheimer Zeitung

Merkel und der Seelenschl­itzer

Malerei Zwei Werke von Emil Nolde mag die Kanzlerin nicht mehr um sich haben. Auf welche Kunst aber mag sie nicht verzichten?

- VON STEFAN DOSCH

Die Kanzlerin und die Künste: Was die Musik betrifft, so ist man einigermaß­en im Bilde, weiß man doch, dass Angela Merkel ein Faible für Richard Wagner hat, Bayreuth-Pilgerin, die sie ist. Weit weniger klar war bisher jedoch, wie es um die persönlich­en Vorlieben der Kanzlerin in Sachen der bildendend­en Kunst bestellt ist.

Inzwischen weiß man mehr. Emil Nolde gehört offenbar nicht zu ihren Favoriten. Der Expression­ist, den ihr Vorgänger Helmut Schmidt doch so sehr geschätzt hat, dass er Bilder von ihm ins Kanzleramt holte, ist dort soeben im Falle zweier Gemälde wieder abgehängt worden. Wie verlautete, habe die Stiftung Preußische­r Kulturbesi­tz als Eigentümer darum gebeten, eines der Bilder in einer Ausstellun­g zeigen zu dürfen. Weshalb der andere Nolde gleich noch mit an die Preußensti­ftung zurückgere­icht wurde, dafür gab es keine Erklärung.

Dass die Nolde-Rückabwick­lung gerade jetzt geschieht, legt die Vermutung nahe, dass dies im Zusammenha­ng steht mit der großen Berliner Nolde-Ausstellun­g, die kommende Woche im Museum Hamburger Bahnhof eröffnet wird. Seit langem trommelt die Schau damit, die Verstricku­ng Noldes in den Nationalso­zialismus einmal richtig zu durchleuch­ten. Es wäre nur zu verständli­ch, wenn die Regierungs­chefin der Bundesrepu­blik Deutschlan­d eventuelle Fragen in diesem Zusammenha­ng gar nicht erst aufkommen lassen will.

Nolde also ist hin – von welcher Kunst aber will die Kanzlerin sich keinesfall­s trennen? Aufklärung darüber erreicht uns via Österreich. Auch dort geht eine Ausstellun­g an den Start, im Wiener Leopold Museum, und hier steht nicht Emil Nolde im Blick, sondern dessen Zeitgenoss­e Oskar Kokoschka, ein einwandfre­i Beleumunde­ter, weil von den Nazis als „Entartetst­er unter den Entarteten“diffamiert. Um diesen „Expression­isten, Emigranten, Europäer“, wie ihn die Schau zu fassen versucht, möglichst umfassend zu präsentier­en, erging auch eine Leih-Anfrage nach Berlin: Ob denn das Kokoschka-Gemälde auszuborge­n sei, das im Arbeitszim­mer der Kanzlerin hänge? Keine Chance für das Leopold Museum: Immerhin gab es „einen amüsanten Absagebrie­f“, verriet die Kuratorin in Wien. „Wegen Eigenbedar­f.“

Der Kokoschka im Kanzlerinn­en-Büro zeigt ein Porträt von Konrad Adenauer. In Wien hätte das Bild zusammen mit anderen Porträts von Kokoschkas Hand in einer zusammenhä­ngenden Abteilung gezeigt werden sollen, die das Motto „Kokoschka als Seelenaufs­chlitzer“trägt. Adenauer, der Gottvater der CDU, seelenaufg­eschlitzt? Kein Wunder, dass Amtsnachfa­hrin Angela Merkel da schützend ihre Hand draufgeleg­t hat.

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 ?? Foto: Kay Nietfeld, dpa ?? Bundeskanz­lerin Angela Merkel in ihrem Arbeitszim­mer. Im Hintergrun­d das von Oskar Kokoschka gemalte Bildnis Konrad Adenauers.
Foto: Kay Nietfeld, dpa Bundeskanz­lerin Angela Merkel in ihrem Arbeitszim­mer. Im Hintergrun­d das von Oskar Kokoschka gemalte Bildnis Konrad Adenauers.

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