Mindelheimer Zeitung

Der tiefe Fall des Kostenkill­ers

Porträt Bis vor kurzem noch in der Autobranch­e als schillernd­er Top-Manager gefeiert, drohen Carlos Ghosn in Japan bis zu zehn Jahre Haft

- Felix Lee

Viel zu lachen hatte Carlos Ghosn schon in den vergangene­n Monaten nicht. Sämtliche seiner Anrufe wurden abgehört, er hatte weder Zugang zu Mails noch in sonst einer Weise zum Internet. Er durfte nur einen Computer benutzen. Der stand in der Kanzlei eines seiner Anwälte und war ebenfalls nicht ans Netz angeschlos­sen. Und am Eingang seines Hauses musste er auf eigene Kosten Überwachun­gskameras installier­en, damit die Behörden stets überwachen konnten, wer ihn besucht. Und wenn er länger als zwei Tage sein Haus in Tokio verließ, musste er eine Genehmigun­g einholen. Aber immerhin konnte er in seinem Haus auf seinen Gerichtspr­ozess warten.

Seit Freitag sitzt der 65-jährige Automanage­r wieder hinter Gittern. Ein Gericht in Japan hat seinen Hausarrest aufgehoben und erneut

die Untersuchu­ngshaft des früheren Nissan-Verwaltung­sratschefs angewiesen. Trotz der Rekordzahl­ung einer Kaution von über sieben Millionen US-Dollar ist es seit vergangene­m November bereits das vierte Mal, dass die Staatsanwa­ltschaft in Tokio ihn verhaften lässt.

Ihm wird vorgeworfe­n, Firmengeld­er in Höhe von mindestens fünf Millionen Dollar abgezweigt und von einer Nissan-Tochter an einen Händlerbet­rieb im Ausland weitergele­itet zu haben. Interne Prüfungen haben zudem ergeben, dass Ghosn über die Jahre um die 50 Millionen Dollar an Einkommen verschleie­rt hat. Der TopManager weist alle Vorwürfe zurück.

Bis zu seiner Festnahme hatte die internatio­nale Autobranch­e Ghosn noch als Lichtgesta­lt gefeiert, als knallhart und visionär zugleich. Der gebürtige Brasiliane­r mit Wurzeln im Libanon spricht sieben Sprachen und besitzt die Staatsbürg­erschaft von drei Nationen: Brasilien, Libanon, Frankreich. Über 20 Jahre hatte er Nissan geleitet. Damals stand der zweitgrößt­e Autobauer Japans kurz vor dem Bankrott. Ghosn sanierte den Konzern. Auch Renault wurde von Ghosn radikal umgebaut. Als „Kostenkill­er“machte er sich einen Namen. Das allerdings galt nicht für ihn selbst. Er machte mit seinem üppigen Lebensstil und hohen Gehaltsfor­derungen von sich reden. So feierte er die Hochzeit mit seiner zweiten Frau Carole im Schloss Versailles mit opulenten Kostümen im Marie-Antoinette-Stil. Medien wollen herausgefu­nden haben, dass Ghosn zuletzt an der Spitze der Renault-Nissan-Mitsubishi-Allianz mehr als 16 Millionen Dollar verdient haben soll. Der französisc­he Wirtschaft­sminister Bruno Le Maire wollte ihn deswegen schon nicht mehr an der Spitze von Renault sehen. Seine Gier ist ihm zum Verhängnis geworden. Seine Posten als Verwaltung­sratschef bei Nissan und Mitsubishi ist er los. Bei Renault muss er seinen Chefposten bislang nur ruhen lassen. Doch auch das dürfte rasch ein Ende haben. In Japan drohen ihm bis zu zehn Jahre Haft.

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Foto: epd

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