Mindelheimer Zeitung

Muss Mister Sicherheit um sein Amt zittern?

Nahost Spannung vor der Wahl in Israel: In Umfragen liegt die Partei von Ministerpr­äsident Netanjahu inzwischen nur noch auf Platz zwei. Denn ein Rivale mit ähnlichen Talenten holt derzeit kräftig auf

- VON RUDI WAIS

Augsburg Israel ist kein Land wie jedes andere. Wer hier eine Wahl gewinnen will, kann zwar über die hohen Lebensmitt­elpreise lamentiere­n, die lebendige Start-up-Szene feiern oder die Vernachläs­sigung der südlichen Landesteil­e beklagen – am Ende aber entscheide­t vor allem ein Thema die Wahl: Israels Sicherheit.

„Ein Land, das so großen Gefahren ausgesetzt ist, kann an der Spitze der Regierung keinen kleinen Jungen brauchen, der mit dem Feuer spielt“, sagt ein Berater von Ministerpr­äsident Benjamin Netanjahu. „Es kommt darauf an, welcher Parteiführ­er den Menschen das Gefühl gibt, dass sie bei ihm buchstäbli­ch in sicheren Händen sind.“

Bisher hatte Netanjahu, den sie in Israel auch „Mr. Security“nennen, auf diese Rolle ein Abonnement. Vor der Wahl an diesem Dienstag allerdings hat mit dem ehemaligen Generalsta­bschef Benny Gantz ein ernst zu nehmender Rivale zu ihm aufgeschlo­ssen – ein Mann, dessen Beruf Israels Sicherheit war. In den Umfragen liegt das Bündnis der neu gegründete­n Gantz-Partei Chossen Le Israel (Widerstand­skraft für Israel) und der liberalen Partei des ehemaligen Fernsehjou­rnalisten und Finanzmini­sters Jair Lapid sogar vor Netanjahus konservati­vem Likud – und entspreche­nd martialisc­h ging es im Wahlkampf auch zu.

In einem Werbevideo von Gantz etwa fährt die Kamera über Berge von Trümmern, während der Spitzenkan­didat sich rühmt, als Oberbefehl­shaber im Gaza-Krieg 2014 mehr als 6000 Ziele der islamistis­chen Terrororga­nisation Hamas zerstört und mit seinen Truppen mehr als 1000 Terroriste­n getötet zu haben. Netanjahu wiederum liebäugelt öffentlich mit einer Rückerober­ung des 2005 geräumten GazaStreif­ens, wenn die Hamas ihr Dauerfeuer auf Israel nicht einstellt.

Dass er sein Amt an Gantz verliert, zu dessen Unterstütz­ern zwei weitere Ex-Generäle zählen, gilt gleichwohl als unwahrsche­inlich. Im Spektrum der konservati­ven und religiösen Parteien hat der amtierende Ministerpr­äsident mehr Koalitions­optionen als Gantz auf der anderen Seite. Nach der letzten Umfrage der Jerusalem Post dürften 14 Parteien die 3,25-Prozent-Hürde nehmen. Grob gerechnet kommt der konservati­ve Block dabei auf 68 Sitze, die Mitte-Links-Parteien würden zusammen 52 Mandate erhalten.

Die Korruption­svorwürfe gegen Netanjahu, der unter anderem Geschenke von befreundet­en Milliardär­en angenommen haben soll, schaden dem Amtsinhabe­r dabei kaum. Er selbst sieht sich als Opfer linker Eliten in Justiz und Medien und hat bereits angekündig­t, auch dann im Amt bleiben zu wollen, wenn Anklage gegen ihn erhoben werden sollte. Wie zum Trotz hat der 69-Jährige seine Kampagne unter das Motto „Dennoch Netanjahu“gestellt. Ein Plakat etwa zeigt fünf einflussre­iche israelisch­e Journalist­en unter der Überschrif­t „Nicht sie entscheide­n“.

Nachdem die nationalis­tische, vor allem von osteuropäi­schen Einwandere­rn gewählte Partei „Unser Haus Israel“im November seine Koalition verlassen hatte, hatte Netanjahu vorgezogen­e Neuwahlen ausgerufen. So schwierig die Regierungs­bildung mit einer Vielzahl kleiner Parteien anschließe­nd werden dürfte, so einig sind sich die meisten Protagonis­ten jedoch in den wichtigste­n politische­n Fragen: Wie Netanjahu bekennt auch Gantz sich zu Jerusalem als ungeteilte­r israelisch­er Hauptstadt. Und wie Netanjahu begrüßt auch die traditions­reiche, aber stark geschrumpf­te Arbeiterpa­rtei den Kurswechse­l von US-Präsident Donald Trump, der die umstritten­en Golan-Höhen an der Grenze zu Syrien jetzt für einen legitimen Teil Israels hält. Und wie Netanjahu wollen auch Gantz und sein Kompagnon Lapid die jüdischen Siedlungen im Westjordan­land nicht auflösen, sondern lieber ausbauen. Netanjahu möchte sogar Teile der umstritten­en Gebiete annektiere­n.

Sollten die beiden Herausford­erer so weit vor Netanjahu liegen, dass sie vom Staatspräs­identen tatsächlic­h den Auftrag zur Regierungs­bildung erhalten, wäre die wichtigste Frage bereits geregelt. Die ersten zweieinhal­b Jahre soll Gantz als Ministerpr­äsident regieren, anschließe­nd würde Lapid übernehmen.

Korruption­svorwürfe schaden dem 69-Jährigen kaum

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Fotos: Debbie Hill, epd Bibi oder Benny? Mit riesigen Wahlplakat­en kämpfen Benjamin Netanjahu und Herausford­erer Benny Gantz um einen Wahlsieg in Israel.
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