Und nun, Herr Sewing?
Finanzen Seit einem Jahr ist Christian Sewing Chef der Deutschen Bank. Er gilt als Macher, entsprechend groß waren die Erwartungen an ihn. Die Bilanz fällt aber wechselhaft aus
Frankfurt am Main Christian Sewing hätte Aufsteiger des Jahres werden können: Am 8. April 2018 befördert der Aufsichtsrat der Deutschen Bank den damals 47-Jährigen „mit sofortiger Wirkung“auf den Chefposten des größten deutschen Geldhauses. Nach drei Verlustjahren und angesichts eines zähen Konzernumbaus unter Vorgänger John Cryan erwarten die Kontrolleure „Führungsstärke“und „Durchsetzungskraft“.
Und teilweise scheint der Plan aufzugehen: Wo Sewing auftritt, präsentiert er sich als Macher. Unter seiner Führung erzielt die Deutsche Bank den ersten Jahresüberschuss seit 2014. Das Institut habe eine „starke Bilanz“und „ein sehr stabiles Fundament für die nächste Phase“, bilanziert Sewing Anfang Februar. Für 2019 habe der Vorstand einen klaren Wachstumsplan: „Wir haben es selbst in der Hand“, betont Sewing.
Und dennoch fällt die Jahresbilanz des Deutsche-Bank-Chefs vergleichsweise bescheiden aus. Sewing muss einsehen, dass auch ein jugendlich-spritziger Auftritt und die Forderung nach „Jägermentalität“in der Belegschaft keine Wunder bewirken. Seit der neue Chef im Amt ist, brach der ohnehin schon schwache Aktienkurs der Deutschen Bank um etwa ein Drittel ein, Ende Dezember 2018 war bei 6,68 Euro der historische Tiefststand erreicht.
Von früheren Glanzzeiten ist Deutschlands größtes Geldhaus nach wie vor weit entfernt. Was auch daran liegt, dass die Schatten der Vergangenheit die Deutsche Bank weiter verfolgen: Eine öffentlichkeitswirksame GeldwäscheRazzia in den Frankfurter Zwillingstürmen Ende November verschreckt Kunden und Aktionäre und ist letztlich ein Grund für die roten Zahlen im Schlussquartal 2018. Dass die Europäische Zentralbank (EZB) die Zinswende mindestens bis ins Jahr 2020 verschoben hat, macht der gesamten Branche zu schaffen. Die Deutsche Bank sucht also nach weiteren Einsparpotenzialen und nimmt zudem Fusionsgespräche mit der Commerzbank auf.
Die Deutsche Bank hat Medienberichten zufolge in den Gesprächen einen klaren Führungsanspruch: Es laufe auf eine Übernahme des kleineren Konkurrenten hinaus, schrieb jüngst die unter Berufung auf Insider. An der Börse ist die in den MDax abgestiegene Commerzbank, die seit der Finanzkrise den Bund als Großaktionär hat, aktuell etwa halb so viel wert wie die Deutsche Bank.
Nachdem die Politik die Idee einer großen Banken-Hochzeit über Monate fleißig nährte, sehen die starken Männer bei der Deutschen Bank zu, das Heft des Handelns wieder in die Hand zu bekommen. „Die Konsolidierung der Bankenbranche in Deutschland und Europa ist für uns ein wichtiges Thema, auch das habe ich immer wieder betont. Wir müssen prüfen, wie wir sie mitgestalten wollen“, schreibt Sewing an die Mitarbeiter am Tag der Bekanntgabe der Gespräche mit der Commerzbank Mitte März. Die Führung der Deutschen Bank müsse sich „dann mit Gelegenheiten beschäftigen, wenn sie sich bieten“.
Aufsichtsratschef Paul Achleitner gibt schon mal die Marschrichtung vor. Der Chefaufseher der Deutschen Bank hält eine Fusion mit der Commerzbank Medienberichten zufolge für „makroökonomisch sinnvoll“. Bei einer Veranstaltung in Vaduz am vergangenen Mittwoch sagte Achleitner: „Ob sie auch betriebswirtschaftlich Sinn macht, gehört jetzt zur Überprüfung.“Das sei Aufgabe des Vorstands.
Was er von Sewing erwartet, hat Achleitner schon bei der Beförderung des damaligen Privatkundenchefs an die Konzernspitze formuliert: „Christian Sewing hat in seinen mehr als 25 Jahren bei der Deutschen Bank konstant bewiesen, dass er führungsstark ist und eine große Durchsetzungskraft hat. Der Aufsichtsrat ist überzeugt, dass es ihm und seinem Team gelingen wird, die Deutsche Bank erfolgreich in eine neue Ära zu führen.“Ob und wie die Commerzbank in diese „neue Ära“passt, darüber soll Ende April Klarheit herrschen.