Wer den Meister vorhersagt, ist ahnungslos
Das Geschäft der Wettanbieter beruht auf der Arroganz der Menschen. Glücksritter, die glauben, persönliche Erfahrungen und angeeignetes Fachwissen
sind kühl berechnenden Computern überlegen. Der Mensch irrt, so lang er strebt. Sei es auch nur nach Reichtum.
Der Fan zieht naheliegende, aber falsche Rückschlüsse. Dem FC Bayern beispielsweise prophezeite er (oder auch sie) im Pokal-Viertelfinale ein leichtes Spiel. Die Ableitung, dass der Erstligist dem Zweitligisten überlegen ist, hat sich über Jahrzehnte hinweg als zumeist richtig herausgestellt. Diesmal aber benötigten die Bayern Glück und fünf Treffer, um die vier Gegentore zu kontern. Ein 5:4 auf dem Tippschein hätte jene Rendite garantiert, die Hinterhoffinanzspekulanten versprechen.
Dabei liegen jene Tipper ja richtig, die verschiedene Einzelereignisse in einen Bezugsrahmen setzen. Alles hängt mit allem zusammen. Oder, um es mit Dettmar Cramer zu sagen: „Sie können sich am Hintern ein Haar ausreißen, dann tränt das Auge.“Nach dem Heidenheim-Gewurstel war davon auszugehen, dass die folgende Partie gegen Dortmund ein schlimmes Ende für die Münchner parat hat. Hatte sie nicht. Weil der Fußball bei all seinen Geschwülsten und Exzessen ein wunderbarer Sport bleibt. Weil die von allen Beteiligten hergestellten Zusammenhänge mehr auf Voodoo denn auf wissenschaftlich zusammengetragenen Daten und Erkenntnissen basieren.
Doch weder Fans noch Forscher haben einen 5:0-Erfolg der Bayern gegen Dortmund prophezeit. Das Geschehen auf dem Rasen lässt sich nur selten vorhersagen und das Titelrennen in dieser Saison überhaupt nicht. Die sich jetzt auf einen Meister festlegen, sind vor allem eines: ahnungslos. In etwa die Hälfte von ihnen wird aber in sechs Wochen behaupten können, es richtig vorhergesagt zu haben. Auch das ist Fußball. Er unterscheidet nicht zwischen aufrichtig und Hochstapler, trennt die Wissenden nicht von den Unwissenden. Das machen die Wettanbieter übrigens auch nicht. Sie kassieren lediglich die allzu Selbstbewussten ab.