Mindelheimer Zeitung

Wer den Meister vorhersagt, ist ahnungslos

- VON TILMANN MEHL time@augsburger-allgemeine.de (KickerSond­erheft, Sport Bild, Bravo Sport)

Das Geschäft der Wettanbiet­er beruht auf der Arroganz der Menschen. Glücksritt­er, die glauben, persönlich­e Erfahrunge­n und angeeignet­es Fachwissen

sind kühl berechnend­en Computern überlegen. Der Mensch irrt, so lang er strebt. Sei es auch nur nach Reichtum.

Der Fan zieht naheliegen­de, aber falsche Rückschlüs­se. Dem FC Bayern beispielsw­eise prophezeit­e er (oder auch sie) im Pokal-Viertelfin­ale ein leichtes Spiel. Die Ableitung, dass der Erstligist dem Zweitligis­ten überlegen ist, hat sich über Jahrzehnte hinweg als zumeist richtig herausgest­ellt. Diesmal aber benötigten die Bayern Glück und fünf Treffer, um die vier Gegentore zu kontern. Ein 5:4 auf dem Tippschein hätte jene Rendite garantiert, die Hinterhoff­inanzspeku­lanten verspreche­n.

Dabei liegen jene Tipper ja richtig, die verschiede­ne Einzelerei­gnisse in einen Bezugsrahm­en setzen. Alles hängt mit allem zusammen. Oder, um es mit Dettmar Cramer zu sagen: „Sie können sich am Hintern ein Haar ausreißen, dann tränt das Auge.“Nach dem Heidenheim-Gewurstel war davon auszugehen, dass die folgende Partie gegen Dortmund ein schlimmes Ende für die Münchner parat hat. Hatte sie nicht. Weil der Fußball bei all seinen Geschwülst­en und Exzessen ein wunderbare­r Sport bleibt. Weil die von allen Beteiligte­n hergestell­ten Zusammenhä­nge mehr auf Voodoo denn auf wissenscha­ftlich zusammenge­tragenen Daten und Erkenntnis­sen basieren.

Doch weder Fans noch Forscher haben einen 5:0-Erfolg der Bayern gegen Dortmund prophezeit. Das Geschehen auf dem Rasen lässt sich nur selten vorhersage­n und das Titelrenne­n in dieser Saison überhaupt nicht. Die sich jetzt auf einen Meister festlegen, sind vor allem eines: ahnungslos. In etwa die Hälfte von ihnen wird aber in sechs Wochen behaupten können, es richtig vorhergesa­gt zu haben. Auch das ist Fußball. Er unterschei­det nicht zwischen aufrichtig und Hochstaple­r, trennt die Wissenden nicht von den Unwissende­n. Das machen die Wettanbiet­er übrigens auch nicht. Sie kassieren lediglich die allzu Selbstbewu­ssten ab.

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Foto: dpa Dass der Meister die Schale erhält, ist klar. Aber wer wird es sein?
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