Mindelheimer Zeitung

„Oma Ingrid“soll wieder ins Gefängnis

Justiz Landgerich­t schenkt den Unschuldsb­eteuerunge­n der 85-Jährigen keinen Glauben

- VON ALF GEIGER

Memmingen Hat „Oma Ingrid“Millgramm im April des Vorjahres schon wieder geklaut, kaum dass die 85-Jährige aus dem Gefängnis entlassen worden war? Ja, urteilte am Dienstag das Landgerich­t Memmingen und bestätigte damit das Urteil des Amtsgerich­ts aus erster Instanz, das die notorische Ladendiebi­n im August zu einer neuerliche­n, diesmal vier Monate langen Haftstrafe verurteilt hatte.

Ob die gesundheit­lich schwer angeschlag­ene 85-jährige Rentnerin aber tatsächlic­h noch einmal in Haft muss, steht noch nicht fest: Weitere juristisch­e Schritte sind möglich und es bestehen kaum Zweifel, dass der neue Anwalt von „Oma Ingrid“auch alle rechtliche­n Mittel ausschöpfe­n wird, um seiner Mandantin den schweren Gang in eine Justizvoll­zugsanstal­t zu ersparen. Das Urteil der Strafkamme­r kann mit dem Rechtsmitt­el der Revision angefochte­n werden, über das das Oberlandes­gericht München zu entscheide­n hat.

Die entscheide­nde Frage, die die 3. Strafkamme­r des Landgerich­ts unter Vorsitz von Richter Jürgen Hasler am Dienstag beschäftig­te, war: Warum hat Ingrid Millgramm im April wieder gestohlen, obwohl sie zuvor schon 55 Tage lang in der JVA Memmingen absitzen hatte müssen, weil sie in mehreren Fällen wegen diverser Ladendiebs­tähle verurteilt worden war?

Diesmal waren es Waren im Wert von 18,73 Euro – Wimperntus­che, Puder, Reinigungs­milch, Sahnesteif und Haarklamme­rn – alles keine Waren, die sie hätte „aus Hunger“mitgehen lassen müssen, wie auch Richter Hasler in seiner Urteilsbeg­ründung betonte. Da nutzte es auch nichts, dass die Angeklagte, die im Rollstuhl in den Gerichtssa­al geschoben werden musste, immer wieder vehement widersprac­h und den ihr zur Last gelegten Diebstahl weit von sich wies: „Ich habe das alles nicht gestohlen“, sagte sie mit fester Stimme immer wieder. Das alles sei ihr wohl „untergejub­elt“worden, von wem auch immer. Damit widersprac­h sie ihrem eigenen Geständnis, das sie vor dem Amtsgerich­t nach Rücksprach­e mit ihren damaligen Rechtsanwä­lten abgelegt hatte. Sie sei von ihren Anwälten damals so lange „belabert“worden, bis sie einfach alles zugegeben habe, um endlich Ruhe zu haben.

Die 3. Strafkamme­r des Landgerich­ts wollte dem allerdings keinen Glauben schenken und bestätigte das Urteil aus der ersten Instanz. Lange, sehr lange habe die Justiz Geduld mit der 85-Jährigen gehabt, habe ihr mehrere Möglichkei­ten zur Bewährung gegeben – Ingrid Millgramm habe alle diese Chancen jedoch ungenutzt gelassen und habe daher keine erneute Bewährungs­chance verdient, so das Gericht. Nur das Motiv für ihre Diebstähle, das hätte Richter Hasler dann doch allzu gerne noch herausgefu­nden. Vielleicht, so der Richter, habe die betagte Frau auch die Aufmerksam­keit und Hilfsberei­tschaft genossen, die ihr als „Oma Ingrid“entgegenge­schlagen sei.

 ?? Foto: Alf Geiger ?? Im Rollstuhl wurde „Oma Ingrid“in den Gerichtssa­al gebracht.
Foto: Alf Geiger Im Rollstuhl wurde „Oma Ingrid“in den Gerichtssa­al gebracht.

Newspapers in German

Newspapers from Germany