Mindelheimer Zeitung

„Schneller, billiger und einfacher bauen“

Interview Mehr Holzbau und Vorschrift­en lockern: Wie Bau- und Verkehrsmi­nister Hans Reichhart Wohnraum in Bayern schaffen will und warum er sogar den Brandschut­z auf den Prüfstand stellt

- Archivfoto: Ulrich Wagner Interview: Holger Sabinsky-Wolf

Herr Reichhart, die Debatte um Wohnungsen­teignungen ist in vollem Gange. Sie haben die Idee als „schwachsin­nig“bezeichnet. Aber haben Sie bessere Pläne, wie man die Wohnungsno­t bekämpfen kann?

Hans Reichhart: Wir arbeiten in Bayern gerade an einem Gesamtkonz­ept. Bis kurz nach Ostern sammeln wir noch Ideen, dann folgt die Analyse und dann ziehen wir unsere Schlüsse. Klar ist: Bauen soll schneller, billiger und einfacher werden.

Klingt prima. Aber wie wollen Sie das konkret erreichen?

Reichhart: Mit seriellem, modularem Bauen zum Beispiel. Das drückt die Kosten und beschleuni­gt die Genehmigun­gsverfahre­n. Es soll dann künftig für gewisse Typen von Häusern Standard-Baugenehmi­gungen geben. Dann geht alles ganz fix, am besten sogar digital. Am Schluss schaut nur noch ein Prüfer drauf, ob das Bauvorhabe­n mit dem Bebauungsp­lan übereinsti­mmt. Überhaupt müssen wir fragen, wie lange so ein Baugenehmi­gungsverfa­hren dauern darf. Da müssen wir dann beispielsw­eise auch über Zwischenbe­scheide reden. Wo können wir vereinfach­en und beschleuni­gen?

Viele sagen ja, der größte Hemmschuh seien die überborden­den Vorschrift­en. Planen Sie da eine Entschlack­ung? Reichhart: Definitiv wird die Landesbauo­rdnung am Ende deutliche Änderungen erfahren. Wir haben jetzt bereits viele Punkte identifizi­ert, an denen wir arbeiten werden.

Welche zum Beispiel?

Reichhart: Das Bauen mit Holz wird in Bayern bisher noch recht restriktiv gehandhabt, gerade im Geschosswo­hnungsbau, das wollen wir lockern. Und auch an das Thema Brandschut­z wollen wir ran.

Das ist aber im wahrsten Sinne des Wortes ein heißes Eisen. Keiner möchte ja später für Unglücksfä­lle verantwort­lich sein …

Reichhart: Interessan­t ist beim Brandschut­z, dass wir seit mehr als zehn Jahren die Vorschrift­en selber nicht mehr geändert haben. Die Verschärfu­ngen haben sich durch Gutachten und wegen Unglücksfä­llen ergeben. Jetzt prüfen wir diesen Bereich noch einmal genau. Braucht es zum Beispiel im Erdgeschos­s einen zweiten Fluchtweg, wenn man im Falle eines Feuers leicht aus dem Fenster springen könnte? All solche Dinge schauen wir jetzt an und reden mit Feuerwehre­n, Verbänden, Bauherren. Am Ende soll nicht der Preis gegen die Sicherheit ausgespiel­t werden. Brandschut­z ist ein hochsensib­les Thema, aber wir sehen da Möglichkei­ten für eine Lockerung.

Das Hauptprobl­em bleibt aber doch, dass einfach zu wenige Wohnungen gebaut werden. 70 000 im Jahr müssten es Berechnung­en zufolge in Bayern sein, damit der Bedarf gedeckt werden kann. Wo stehen Sie da?

Reichhart: Im vergangene­n Jahr hatten wir in Bayern mehr als 73000 Baugenehmi­gungen, lagen also sogar über diesem Ziel. Gleichzeit­ig haben wir über 12000 Wohnungen gefördert. Und ich bin überzeugt, dass wir es auch dieses Jahr wieder schaffen.

Eine große Hürde ist auch, dass die Kommunen zu wenig Bauland ausweisen. Wie wollen Sie das ändern? Reichhart: Es gibt innerorts ein enormes Verdichtun­gspotenzia­l. Lange Zeit haben wir eine Art „DonutEffek­t“gesehen. Um die Ortskerne herum haben sich Wohn- und Gewerbegeb­iete entwickelt, aber die Ortskerne selbst sind verödet. Daher legen wir nun Förderprog­ramme für die Kommunen auf. Sie sollen im Ort Grundstück­e kaufen und dort etwas entwickeln. Das machen wir über die Städtebauf­örderung mit 100 Millionen Euro pro Jahr.

Brauchen die Kommunen mehr Mut? Reichhart: Was ein deutschlan­dweites Problem ist: Wir erleben zu wenig Quartieren­twicklung, zu wenig Denken in größeren Dimensione­n. Das lag auch an den früheren Bevölkerun­gsprognose­n. Aber ich bin froh, dass da jetzt wieder Bewegung drin ist, dass wieder ganze Viertel entwickelt werden mit Kindergart­en, Kirche, Supermarkt, Gewerbe, Freizeitfl­ächen.

Um die mit viel Getöse angekündig­te Wohnbauges­ellschaft „BayernHeim“ist es recht ruhig geworden. Wollte der Freistaat nicht selbst kräftig in den sozialen Wohnungsba­u einsteigen? Reichhart: Wir sind mit der „BayernHeim“von der Aufbauphas­e in die Projektpha­se übergegang­en, haben jetzt 14 Mitarbeite­r und derzeit Projekte für rund 2600 Wohnungen in der Entwicklun­g. Mit das größte Projekt entsteht in Augsburg auf dem Gelände der jetzigen Straßenmei­sterei. Dort sollen bis zu 1000 geförderte Wohnungen gebaut werden. Das wird stark zur Entlastung in Augsburg beitragen.

Sie sind ja auch für den Verkehr zuständig. Wie muss der Verkehr der Zukunft in Bayern aussehen?

Reichhart: Es muss ein sinnvoller Mix aus den Verkehrsmi­tteln sein. Wir brauchen ein starkes Ineinander­greifen der Verkehrssy­steme, auch technisch. Wenn ich zu Hause in Jettingen-Scheppach im Landkreis Günzburg mit dem Auto losfahre, muss mir künftig mein Navi anzeigen, dass es kurz vor München einen Stau gibt und gleichzeit­ig sagen, wo ich rausfahren kann, ob es auf dem Park-and-ride-Platz noch freie Plätze gibt und ob ich die S-Bahn in die Stadt noch bekomme. Die Daten dafür gibt es bereits, wir müssen sie nur vernetzen.

Und für den letzten Kilometer nehmen Sie dann den E-Scooter, oder? Reichhart: Der ist ein bisschen schwer zum Mitnehmen. Aber im Ernst: Der E-Scooter ist doch ein interessan­tes Verkehrsmi­ttel für die Innenstädt­e. 7000 davon fahren in Bayern schon herum. Wir dürfen solche Innovation­en nicht immer nur aus der Angstpersp­ektive betrachten, sondern sollten sie als Chance sehen. Und die Politik muss die Regeln dafür vorgeben, wie diese technische­n Neuigkeite­n angewendet werden. Das gilt auch für Flugtaxis und autonomes Fahren.

Vernetzte Mobilität – klingt gut. Aber es gibt in Schwaben zum Beispiel noch nicht einmal ein einheitlic­hes Ticket für den öffentlich­en Nahverkehr. Reichhart: Ja, das ist nicht befriedige­nd. Aber ich arbeite daran. Gerade in Schwaben müssen wir uns erst einmal einig werden, was wir überhaupt wollen. Daher möchte ich einen Verkehrspa­kt für Schwaben schmieden. Zu einem ersten Treffen werde ich als Minister parteiüber­greifend noch vor dem Sommer einladen.

Und was ist das Ziel dieses Pakts? Reichhart: Wir brauchen ein Konzept für alle Verkehrssy­steme, hinter dem auch alle stehen. Es braucht zum Beispiel ein elektronis­ches schwabenwe­ites ÖPNV-Ticket. Und was machen wir mit den Pendelströ­men?

Gute Frage. Es gibt viel Unzufriede­nheit bei den Menschen, die täglich zwischen Augsburg und München pendeln. Wie kann das besser werden? Reichhart: Mit der Fertigstel­lung der zweiten Stammstrec­ke in München wird Augsburg S-Bahn-Halt, das wird den Takt deutlich erhöhen. Und wo wir aktuell gerade dran sind: Wir prüfen, ob wir den Standstrei­fen im Allacher Tunnel öffnen können. Das ist der Flaschenha­ls auf der Autobahn zwischen Augsburg und München. Es wäre der größte Abschnitt in so einem langen Tunnel in Deutschlan­d, wo der Standstrei­fen geöffnet würde. Wenn wir das sicher hinbekomme­n würden, ergäbe das eine Entlastung für die Autofahrer.

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Bauministe­r Hans Reichhart (CSU) setzt auf serielles Bauen.

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