Mindelheimer Zeitung

Was Handschrif­t über den Charakter verrät

Graphologi­e Experten können aus der Schrift auf die Persönlich­keit schließen. Vor allem für Unternehme­n ist das relevant

- VON JONATHAN MAYER

Augsburg Hier ein Haken, dort ein Bogen. Bei der Handschrif­t, das lernen schon Schulkinde­r, kommt es auf die Schönheit an. Die Devise lautet: Nur wer schön schreibt, kann leserliche Texte verfassen. Experten können aus der Handschrif­t eines Menschen sogar auf seine Persönlich­keit schließen.

Graphologe­n wie Helmut Ploog analysiere­n Handschrif­ten und zeichnen daraus ein Charakterp­rofil. Er ist Schriftpsy­chologe und Vorsitzend­er des Berufsverb­andes geprüfter Graphologe­n. Wenn er einen Text liest, geht es ihm nicht um den Inhalt, sondern um dessen Erscheinun­gsbild. Bei der Schriftana­lyse unterschei­den Graphologe­n zwivier sogenannte­n Bindungsfo­rmen:

● Die Girlande zeichnet sich durch weite Bögen aus. Das „n“sieht aus wie ein „u“. Ploog erklärt: „Sie ist wie eine Schale. Das ist ein Hinweis auf Offenheit, Aufnahmefä­higkeit und Freundlich­keit.“

● Winkel zeichnen sich durch starke Zickzackli­nien bei Konsonante­n aus. „Das deutet auf eine härtere Gangart hin. Winkelschr­eiber haben einen eckigen, kantigen Charakter.“Zudem seien sie weniger anpassungs­fähig.

● Die Fadenschri­ft ist an flach gezogenen „m“und „n“zu erkennen. Wer so schreibt, „schlängelt sich halt so durch“, gilt als opportun und faul.

● Wer oben geschlosse­ne „m“und „n“nutzt, schreibt oft in Arkaden und gilt als verschloss­en, reserviert und zurückhalt­end.

Neben den Bindungsfo­rmen untersuche­n Graphologe­n insgesamt 20 Einzelmerk­male. Dazu zählen die Größe der Schrift, ob Groß- oder Kleinbuchs­taben verwendet werden und ob in Druck- oder Schreibsch­rift geschriebe­n wird. Auch der Rhythmus und der Spannungsg­rad einer Schrift sind entscheide­nd.

Wie auch sonst im Leben ist der erste Eindruck wichtig. Wirkt die Schrift eher form- oder bewegungsb­etont? „Formbetont­e Schriften wirken wie gemalt“, erklärt Ploog. Bewegungsb­etonte Schriften seien hingegen schnell geschriebe­n und neigten nach rechts. Wer so schreibt, legt wenig Wert auf die äuschen ßere Form. Für Graphologe­n ist das ein Zeichen dafür, dass der Autor schnell vorankomme­n will.

Aus den verschiede­nen Merkmalen erstellen Experten ein Porträt des Verfassers. Allerdings treffen diese Typologien nicht immer zu 100 Prozent zu. „Man kann den Menschen nicht umformen und auf eine Typologie anpassen. Man muss schauen, wie individuel­l jemand ist und wie man seine Person am besten darstellen kann.“

Zu Ploogs Kunden zählen Unternehme­n, die anhand von Unterschri­ften mehr über Bewerber wissen wollen. Aber auch Privatpers­onen reichen Handschrif­ten ein: Partner, die wissen wollen, wie ihre Liebsten wirklich ticken. Oder Geschieden­e, die die Wahrheit über ihren Ex erfahren wollen. Bei der Schriftana­lyse gehe es aber nicht darum, Menschen schlecht darzustell­en. Ploog sagt: „Wir wollen Gutachten machen, keine Bösachten.“

Können Bewerber ihre Handschrif­t verstellen, um beim künftigen Arbeitgebe­r besser anzukommen? In gewissem Maße ja: Die Schrift sollte schnell und vereinfach­t sein, sich nach rechts neigen und dürfe nicht „rumstotter­n“.

Unterschie­de zwischen Männern und Frauen sieht der Experte im Übrigen nicht mehr. Vor 60 Jahren sei das anders gewesen. Aber seitdem nicht nur Männer arbeiten gehen und Karriere machen, gleichen sich die Schriftbil­der an. Auch, weil Frauen heute wesentlich mehr schreiben als früher.

 ?? Fotos: Kumm, Reichel, Shen, dpa ?? Diese Schriften könnten unterschie­dlicher nicht sein (von links): Aus Angela Merkels Schriftbil­d – hier unter dem aktuellen Koalitions­vertrag – lesen Graphologe­n die Attribute ordentlich und gewissenha­ft. Papst Franziskus’ Unterschri­ft wirkt sehr bescheiden – vor allem neben der von Donald Trump, die Beharrlich­keit und wenig positive Emotion verspricht.
Fotos: Kumm, Reichel, Shen, dpa Diese Schriften könnten unterschie­dlicher nicht sein (von links): Aus Angela Merkels Schriftbil­d – hier unter dem aktuellen Koalitions­vertrag – lesen Graphologe­n die Attribute ordentlich und gewissenha­ft. Papst Franziskus’ Unterschri­ft wirkt sehr bescheiden – vor allem neben der von Donald Trump, die Beharrlich­keit und wenig positive Emotion verspricht.
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