Netanjahu boxt sich durch
Allen Korruptionsvorwürfen zum Trotz: Israels Ministerpräsident steuert seine fünfte Amtszeit an. Der Mann für den Tag nach ihm steht aber schon bereit
Benjamin Netanjahu war angezählt – aber er ist nicht zu Boden gegangen. Wie ein Boxer in seinem letzten großen Kampf hat es der israelische Ministerpräsident noch einmal allen Zweiflern gezeigt. Sein Erfolg bei der Parlamentswahl ist, um in der Sprache des Boxsports zu bleiben, kein fulminanter K. o. über seinen Herausforderer Benny Gantz, aber ein klarer Sieg nach Punkten. In der Ecke von Netanjahu steht ein breites Bündnis aus konservativen, nationalistischen und tiefreligiösen Parteien, das ihm zu einer fünften Amtszeit verhilft. In der Ecke von Gantz standen nur die neue Partei von Gantz und die Liberalen.
Nach einem turbulenten, bissigen, teilweise sehr verletzenden Wahlkampf hat Israel sich für Sicherheit und Kontinuität entschieden: weiter mit Netanjahu, trotz aller
Korruptionsvorwürfe und einer äußerst kritischen Presse. Mit einem der besten Ergebnisse, das seine Likud-Partei je eingefahren hat, feiert der Premier nun bald einen historischen Triumph: Schon im Sommer könnte er Staatsgründer Ben Gurion als den am längsten dienenden Regierungschef in der israelischen Geschichte ablösen. Von ungefähr kommt das nicht.
Offenbar ist das Vertrauen seiner Landsleute in Netanjahu um einiges größer, als es außerhalb Israels, zumal in EU-Europa, gerne gesehen wird. Auch der Erfolg des ehemaligen Generals Gantz, der erst vor wenigen Monaten in die Politik gegangen ist, fußt auf diesem Fundament: einer Sehnsucht nach Sicherheit, die in einer so fragilen Region wie dem Nahen Osten noch ein Wert für sich ist und keine gefühlte Selbstverständlichkeit wie in den USA oder Mitteleuropa.
Netanjahu und Gantz geben den Israelis bei allen Auseinandersetzungen in der Sache dieses Gefühl des Gut-aufgehoben-Seins, der eine etwas markiger, der andere etwas diplomatischer. Insofern hätte sich an den Grundlinien der israelischen Politik auch mit einem Ministerpräsidenten Gantz wenig geändert. Für ihn wie für Netanjahu ist die Sicherheit des Landes der politische Imperativ schlechthin. Der Friedensprozess liegt ja so oder so auf Eis, weil die Hamas im Gazastreifen dem Terror nicht abschwören will und die zerstrittenen Palästinenser nicht in der Lage sind, Israel gegenüber mit einer Stimme zu sprechen – und zu verhandeln.
In dieses Bild passt auch das schlechte Abschneiden der arabischen Parteien. Sie und die israelische Linke sind die großen Verlierer dieser Wahl. Die einst so stolze Arbeiterpartei, die Partei von Ben Gurion, Golda Meir, Yitzhak Rabin und Shimon Peres, ist auf magere sechs Mandate in der Knesset geschrumpft. Mit Ausnahme des Seiteneinsteigers Gantz, eines Mannes der Mitte, ist weit und breit niemand in Sicht, der es mit dem Haudegen Netanjahu aufnehmen könnte, der noch am Wahlabend eine Neuauflage seiner Koalition organisiert hat und auch im Falle einer Anklage wegen Korruption nicht weichen will. Für den Tag danach, den Tag nach Netanjahu, steht mit Gantz nun aber ein Kandidat bereit, der weniger polarisiert.
Die Kanzlerin und viele deutsche Außenpolitiker mögen diesen Tag herbeisehnen – bis dahin jedoch werden sie mit Netanjahu zurechtkommen müssen. Dabei knirscht es im deutsch-israelischen Verhältnis keineswegs nur wegen der von Berlin gebetsmühlenartig beschworenen, von Netanjahu aber für reichlich weltfremd gehaltenen ZweiStaaten-Lösung. Umgekehrt hat der Schmusekurs der Bundesregierung gegenüber dem Mullah-Regime im Iran die Deutschen in Israel viele Sympathien gekostet. Umso wichtiger wäre es, dass das Land der Täter und das Land der Opfer wieder mit sich ins Reine kommen – unabhängig davon, wer gerade in Israel regiert.
Im Sommer überholt er Ben Gurion