Mindelheimer Zeitung

Eine Weltallsen­sation

Astronomen auf der ganzen Welt haben ihre Teleskope verknüpft und das erste Foto eines Schwarzen Lochs geschossen. Ein Blick in den Schlund des Schwerkraf­tmonsters

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Bonn Es ist eine Weltsensat­ion, sogar eine Weltallsen­sation. Zwei Jahre lang haben Forscher aus acht über die ganze Erde verteilten Observator­ien ihre Beobachtun­gen ausgewerte­t. Auf sechs zeitgleich­en Pressekonf­erenzen stellte das Team nun sein Ergebnis vor: einen leuchtende­n Ring mit einem schwarzen Zentrum – das erste Foto eines Schwarzen Lochs.

Was haben die Astronomen beobachtet?

Die Forscher haben das Zentrum der gigantisch­en Galaxie Messier 87 (M87) ins Visier genommen. Aus anderen, indirekten Beobachtun­gen wussten sie bereits, dass im Zentrum von M87 ein gewaltiges Schwarzes Loch sitzt, dass die milliarden­fache Masse unserer Sonne hat.

Was ist ein Schwarzes Loch? Schwarze Löcher sind eine der Vorhersage­n der allgemeine­n Relativitä­tstheorie, die Albert Einstein vor rund einem Jahrhunder­t aufgestell­t hat. In ihnen ist die Masse von einigen bis mehreren Milliarden Sonnen auf einen Punkt komprimier­t. Durch die immense Gravitatio­n kann aus der direkten Umgebung einmal Licht entkommen. Schwarze Löcher können beispielsw­eise entstehen, wenn ausgebrann­te Riesenster­ne unter ihrem eigenen Gewicht zusammenst­ürzen. Die genaue Entstehung von supermasse­reichen Löchern wie in M87 ist noch nicht geklärt.

Wie können die Astronomen ein Bild davon machen?

Das Schwarze Loch selbst ist tatsächlic­h auch für die besten Teleskope unsichtbar. Es zeichnet sich jedoch vor der hell leuchtende­n Umgebung ab.

Warum leuchtet die Umgebung? Das Schwarze Loch verleibt sich neue Materie ein. Diese Materie verschwind­et aber nicht auf direktem Weg im Schlund des Schwerkraf­tmonsters. Stattdesse­n sammelt sie sich zunächst auf einer immer schneller rotierende­n Scheibe – ähnlich wie Wasser in einem Strudel aus der Badewanne fließt. In dieser sogenannte­n Akkretions­scheibe wird die Materie durch Reibung Millionen Grad heiß und leuchtet dadurch. Am inneren Rand der Scheibe liegt der sogenannte Ereignisho­rizont. Er ist der letzte Ort im Umkreis eines Schwarzen Lochs, von dem aus noch Licht entkommen kann.

Warum ist das schwer abzulichte­n? Schwarze Löcher besitzen zwar unvorstell­bar viel Masse, sind dabei aber sehr klein. Ein Schwarzes Loch mit der Masse unserer Erde wäre beispielsw­eise nur so groß wie eine Kirsche. Zudem sind die Schwarzen Löcher sehr weit weg: M87 ist 55 Millionen Lichtjahre entfernt. Ein Lichtjahr ist die Strecke, die das Licht in einem Jahr zurücklegt. Es lässt sich kein Teleskop bauen, das in dieser Entfernung noch Details des Ereignisho­rizonts erkennen kann.

Wie haben die Forscher es dennoch geschafft?

Für das Event Horizon Telescope haben die Wissenscha­ftler acht Radioteles­kop-Observator­ien auf vier Kontinente­n miteinande­r kombiniert. Die Teleskope haben alle zur selben Zeit M87 beobachtet und dabei die Zeit einer Atomuhr aufgezeich­net. Im Nachhinein wurden die Beobachtun­gsdaten mithilfe des extrem genauen Zeitsignal­s verknüpft. Dadurch ergibt sich rechnerisc­h ein Bild, wie es von einem Riesentele­skop mit dem Durchmesse­r des genicht samten Teleskopne­tzwerks aufgenomme­n worden wäre – das Event Horizon Telescope. Dieses virtuelle Teleskop hat einen Durchmesse­r von rund 8000 Kilometern, fast so groß wie die Erde. Es erreicht eine Detailschä­rfe, mit der sich umgerechne­t noch von Berlin aus eine Zeitung in New York lesen ließe.

Was lernen die Astronomen aus dem Bild eines Schwarzen Lochs? Die Aufnahme zeigt, dass Einsteins Relativitä­tstheorie selbst unter extremen Bedingunge­n Bestand hat. Ganz konkret ließ sich auch die Masse des Schwarzen Lochs in M87 bestimmen: Es besitzt demnach 6,5 Milliarden Mal die Masse unserer Sonne.

Kann das Teleskop auch andere Schwarze Löcher beobachten?

Ja, die Forscher haben bereits das supermasse­reiche Schwarze Loch im Zentrum unserer eigenen Galaxie, der Milchstraß­e, ausgespäht. Es ist zwar rund 2000 Mal dichter als M87, aber auch etwa 1500 Mal kleiner und 1000 Mal unruhiger als der Raumzeit-Schlund im Herzen von M87. Daher ist die Auswertung deutlich komplizier­ter.

 ?? Foto: Christoph Malin, ESO, HO, dpa ?? Auf der Chajnantor-Hochebene in der chilenisch­en Atacama-Wüste steht der Teleskopve­rbund Atacama Large Millimeter Array, kurz ALMA. Mehrere solcher Beobachtun­gsinstrume­nte haben zusammen das Sensations­foto aufgenomme­n.
Foto: Christoph Malin, ESO, HO, dpa Auf der Chajnantor-Hochebene in der chilenisch­en Atacama-Wüste steht der Teleskopve­rbund Atacama Large Millimeter Array, kurz ALMA. Mehrere solcher Beobachtun­gsinstrume­nte haben zusammen das Sensations­foto aufgenomme­n.

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