Mindelheimer Zeitung

Wichtiger als all die Rekorde

Dirk Nowitzki beendet seine einzigarti­ge Karriere. Fans und Kollegen ehren den langen Deutschen, dessen große Leistung es ist, weit mehr als Bestmarken zu hinterlass­en

- VON TOBIAS BRANDSTETT­ER

Dallas Der Reunion Tower in Downtown, das bekanntest­e Wahrzeiche­n von Dallas, erstrahlt nachts üblicherwe­ise in einem attraktive­n Lichterspi­el. Am Dienstagab­end leuchtete die Kuppel in Schwarz, Rot und Gold. Und die LED-Lichter erschienen in einer Art um die Kugel wanderndes Spruchband. Darauf stand: „Danke Dirk!“

Der Turm gilt als Erkennungs­zeichen der Stadt und auch als futuristis­ches Symbol. Und war an diesem Abend doch nur Projektion­sfläche einzigarti­ger Geschichte. Es war 22.25 Uhr, als eineinhalb Meilen entfernt knapp 20000 Menschen Zeugen eines sporthisto­rischen Augenblick­s wurden. „That was my last homegame“, nuschelte Dirk Nowitzki ins Hallenmikr­ofon. Das letzte Heimspiel also. Was er damit auch sagte, ohne es explizit auszusprec­hen: Nach der letzten Partie seiner 21. Saison in der stärksten Basketball Liga der Welt in San Antonio am Mittwochab­end (Ortszeit) wird er seine Stiefel an den Nagel hängen. Dann sagte der gebürtige Würzburger, wie dankbar er für die letzten 20 Jahre ist und dass er sich jetzt vermehrt um seine Frau Jessica und seine Kinder Malaika (5), Max (4) und Morris (zweieinhal­b) kümmern will.

„Ich bin ein bisschen überwältig­t“, sagte Nowitzki. „Ich probiere meine Yoga-Atmung aus, aber es funktionie­rt nicht so richtig.“Er lächelte dabei und wirkte gefasst, auch wenn der 40-Jährige immer mal wieder schlucken musste. Tränen waren ihm gegen Ende des zweiten Viertels der Partie gegen die Phoenix Suns in die Augen geschossen, als in einer Auszeit auf dem riesigen Würfel unterm Hallendach ein Video eingespiel­t wurde, das ihn mit kranken, auch todkranken Kinder zeigte, mit denen er herumalber­te und ihnen mit seinem Besuch einen Wunsch erfüllte und Freude bereitete.

Dass das American Airlines Center an diesem hochemotio­nalen Abend nicht zu einem Tempel der Tränen wurde, lag vor allem auch am Hauptdarst­eller, der erklärte, seine Entscheidu­ng sei in den vergangene­n Tagen gereift. Zuvor hatte Nowitzki immer wieder betont, er wolle nach der Saison im Karibikurl­aub mit der Familie über seine Zukunft entscheide­n. Mit der Fortsetzun­g seiner einzigarti­gen Karriere hatte er zuletzt auch immer wieder kokettiert. Aber: „Es hat einfach keinen Sinn mehr gemacht.“

Wenn es tatsächlic­h noch eines Beweises bedurft hätte, welchen Ruf sich Dirk Nowitzki in den Staaten erworben hat, dann hat man diesen Beweis an diesem Abend bekommen. Nowitzki wird in den USA seit Jahren in einer Art verehrt, dass auch Musik- und Hollywoods­tars Neid empfinden dürften. Nach der Partie, die Dallas mit 120:109 gewann, wurde er mit einem minutenlan­gen Video gewürdigt, ehe die NBA-Legenden Charles Barkley, Larry Bird, Scottie Pippen und Shawn Kemp sowie Detlef Schrempf das Parkett betraten.

Barkley, einer der besten Spieler der Geschichte, sprach ins Rund: „Lasst mich eins über Dirk Nowitzki sagen: Er ist der netteste Mensch aller Zeiten. Es war eine Ehre und ein Privileg, dir zuzusehen. Genieße den Rest deines Lebens.“Nowitzki zeigte zuvor, dass er immer noch ganz gut mit dem Ball umgehen kann. 30 Zähler machte er – das war ihm zuletzt im März 2016 gelungen. Die ersten vier Minuten traute sich gar kein anderer zu werfen.

Nun tritt er also ab als Halter unzähliger NBA-Rekorde. Nicht schlecht für einen, der früher lieber Handball und Tennis spielte und Basketball für Frauen-Sport hielt – vermutlich, weil Mutter und ältere Schwester Basketball-Nationalsp­ielerinnen waren.

All diese Geschichte­n und noch viele mehr über Dirk Nowitzki und all seine Meilenstei­ne sind so oft erzählt worden. Er war der erste Europäer, der in der NBA zum wertgerade vollsten Spieler einer Spielzeit gekürt wurde (Saison 2006/07). Der erste Deutsche, der den NBA-Titel (2011) gewann und zum wertvollst­en Spieler der Finalserie auserkoren wurde. Mit nun 31540 Punkten ist der Würzburger der Sechstbest­e in der ewigen Korbjägerl­iste der NBA.

Vor gut 20 Jahren, am 5. Februar 1999, betrat Dirk Werner Nowitzki erstmals das Parkett der besten Basketball-Liga

„Es hat einfach keinen Sinn mehr gemacht.“

Viele Menschen werden Nowitzki vermissen

der Welt. „Da war ich total neben der Spur. Ich war wegen der NBA-Premiere nicht sonderlich nervös. Aber als es losging, dachte ich plötzlich an alles außer Basketball. Ich war richtig im falschen Film, und das war auch für mich ziemlich enttäusche­nd“, beschrieb Nowitzki seine Premiere.

Anschließe­nd habe er sich im Hotelzimme­r eine Ewigkeit seine Fehler anschauen müssen: „Bis zum Erbrechen, stundenlan­g das Video aufund abgespult.“Es sollte helfen: „Beim nächsten Spiel in Golden State habe ich 16 Punkte gemacht und gezeigt, dass ich mithalten kann.“Mithalten ...

Seit er 15 Jahre alt ist, hat er auf profession­ellem Niveau gespielt. „Ich werde es vermissen.“Und viele Menschen ihn.

 ?? Foto: Tony Gutierrez, dpa ?? Einer der Größten in der Geschichte des Basketball­s: Kaum einer hat das Sportsmann-Sein derart geprägt und ausgelebt wie Dirk Nowitzki, gestern absolviert­e er sein letztes Heimspiel für seine Dallas Mavericks. Nach 1666 Spielen verabschie­det sich „Dirkules“mit einer emotionale­n Rede von der NBA-Bühne.
Foto: Tony Gutierrez, dpa Einer der Größten in der Geschichte des Basketball­s: Kaum einer hat das Sportsmann-Sein derart geprägt und ausgelebt wie Dirk Nowitzki, gestern absolviert­e er sein letztes Heimspiel für seine Dallas Mavericks. Nach 1666 Spielen verabschie­det sich „Dirkules“mit einer emotionale­n Rede von der NBA-Bühne.

Newspapers in German

Newspapers from Germany