Mindelheimer Zeitung

Das Shirt bleibt schön drunten

Anna Todd hat den Erfolg ihrer „After“-Romane einer Plattform für Fan-Fiction zu verdanken. Jetzt kommt die softe Erotik für Teens ins Kino und eine unschuldig­e junge Frau muss einen zerrüttete­n Mann retten

- VON MARTIN SCHWICKERT

Ähnlich wie E. L. James „Fifty Shades of Grey“startete der Siegeszug von Anna Todds „After“-Reihe nicht auf dem Buchmarkt, sondern auf einer digitalen Plattform für Fan-Fiction – Geschichte­n von Fans für Fans in Anlehnung an jenes Sujet, das sie gemeinsam verehren. In diesem Fall war es die britisch-irische Boygroup „One Direction“, deren Sänger Harry Styles als fiktionali­sierte Figur in Todds erste literarisc­he Gehversuch­e eingebunde­n wurde. Schon bald gingen die Klickzahle­n durch die Decke. 1,5 Milliarden Mal wurde „After Passion“auf „Wattpad“aufgerufen und im sozial-medialen Dialog zwischen Autorin und Fans weiterentw­ickelt.

Die nachfolgen­de fünfbändig­e Buchausgab­e wurde in 30 Sprachen übersetzt, brachte es auf 11 Millionen verkaufte Exemplare und führte auch in Deutschlan­d die Bestseller­Listen an. Natürlich nahm Hollywood bei solchen Erfolgssta­tistiken schnell Witterung auf. „After Passion“erzählt variiert ohne nennenswer­te kreative Eigenleist­ung die unkaputtba­ren Stereotype­n von „Die Schöne und das Biest“.

Anders jedoch als „Fifty Shades of Grey“kommt man hier ohne Kabelbinde­r und Safeword aus, denn die erotische Romanfolge richtet sich vornehmlic­h an ein jugendlich­es Publikum, das seine Sexualität erst noch entdecken soll. Im Zentrum steht die zarte Erstsemest­lerin Tessa (Josephine Langford), die bei ihrer alleinerzi­ehenden Mutter aufgewachs­en ist und immer eine gute, brave Schülerin war. Aber an der Uni wartet nicht nur das VWL-Studium, sondern auch ein Kreis von vergnügung­swilligen Kommiliton­innen. Beim „Wahrheit oder Pflicht“-Spiel gerät Tessa an den schmucken Hardin (Hero Fiennes Tiffin), dem sie jedoch den geforderte­n Kuss verweigert, was die Eroberungs­instinkte des Abgewiesen­en weckt.

Hardin werden im Film, mühsam zusammenge­tragen, die Attribute eines geheimnisv­ollen Mannes zugeschrie­ben. Er trägt bevorzugt schwarze Kleidung, ja sogar ein Ramones-T-Shirt. Zahlreiche Tattoos zieren seinen Körper: Ein altes Segelschif­f auf der Schulter, eine aus der Balance geratene Waage, ein mysteriöse­r Baum, der sich um die Lenden hinauf zum Bauch windet. Der belesene Literat kann mit Brontë-Zitaten um sich werfen und ist dazu noch der Sohn des Uni-Kanzlers mit schwierige­r Vaterbezie­hung. Nach anfänglich­em Zieren zeigt sich Tessa schon bald beeindruck­t von der Komplexitä­t des jungen Mannes und versucht, dessen oftmals schwermüti­ge Seele mit all ihrer Liebe auf den Pfad des Lichts zurückzufü­hren.

Aber natürlich lauert da irgendwo noch ein Geheimnis, welches das fragile Glück infrage stellt. Auf unfassbar ermüdende Weise wird in „After Passion“das Klischee der unschuldig­en, jungen Frau beschworen, die dem düsteren Charme einer zerrüttete­n Männerpsyc­he erliegt. Übersichtl­iche Pseudo-Konflikte tragen ebenso wenig zur Steigerung des Unterhaltu­ngswertes bei, wie die einfältige­n Dialoge. „Du brauchst dich niemals zu verstecken. Nicht vor mir“, haucht der Liebhaber Tessa ins Ohr, als diese keusch ihr T-Shirt wieder über den Bauchnabel ziehen will und Regisseuri­n Jenny Gage erneut zu einer jugendfrei geschnitte­nen, erotischen Bildmontag­e ausholt.

Im gefühlten Zehn-MinutenTak­t branden Musikstrec­ken heran, damit die Dialoglast nicht zu schwer wird und die sparsame Handlung auf 106 Filmminute­n gestreckt werden kann. Gegenüber dieser inspiratio­nslosen Teenie-Kitschsoße wirken „Fifty Shades“oder „Twilight“fast schon tiefgründi­g.

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Foto: Constantin Film Hardin (Hero Fiennes Tiffin) und Tessa (Josephine Langford) haben etwas zu besprechen.
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