Mindelheimer Zeitung

Wo sind nur die Blauen Pferde hin?

Der aus Augsburg stammende Schriftste­ller Bernhard Jaumann hat um ein berühmtes Bild von Franz Marc einen gut recherchie­rten Krimi gestrickt

- VON CHRISTA SIGG

Mythen ranken sich um dieses Bild. Franz Marcs „Turm der Blauen Pferde“ist verschwund­en, wie vom Erdboden verschluck­t. Nachdem das Gemälde 1937 von den Nazis als „entartet“diffamiert wurde, ging es bald in den Besitz des kunstgieri­gen Hermann Göring über. 1945 soll diese Ikone der deutschen Moderne ein letztes Mal im Haus am Waldsee in Berlin gesehen worden sein. Und vielleicht etwas später noch in einem Pfadfinder­heim nebenan. Doch das ist mindestens so nebulös wie das Auftauchen des Ungeheuers von Loch Ness und damit der ideale Stoff für einen Krimi.

Bernhard Jaumann hat sich dazu einen Plot ausgedacht, der gar nicht so abwegig scheint: Der steinreich­e Schraubenf­abrikant Schwarzer kauft im Hinterzimm­er einer bayerische­n Dorfwirtsc­haft den verscholle­nen Marc. Drei Millionen lässt er springen, „ein absolutes Schnäppche­n“, wenn man bedenkt, was das legendäre Pferdebild wert ist. Jetzt braucht Schwarzer nur noch den Nachweis, dass der Marc echt ist, und eine lückenlose Provenienz­geschichte.

Kunstdetek­tiv Rupert von Schleewitz wird beauftragt. Der macht sich dann auch mit zwei Kollegen ans Werk, und man erfährt Erstaunlic­hes über Fälschunge­n und Kunstraub, dubiose Händler und sich windende Gutachter. Parallel dazu blickt der Autor Bernhard Jaumann zurück auf die letzten Tage des Zweiten Weltkriegs. Zwei Burschen finden in Berchtesga­den einen Zug voller Raubkunst, darunter – wie sollte es anders sein – der Pferdeturm. Und es gibt auch bald die Leiche, denn beim Gerangel um den Fund wird einer der beiden Burschen tödlich verletzt.

Der Schriftste­ller, der für „Die Stunde des Schakals“2011 mit dem Deutschen Krimipreis ausgezeich­erste net wurde, springt lässig zwischen den beiden Handlungss­trängen. Vor allem aber taucht er tief ein in die Kunstszene, zudem beschreibt er höchst präzise. Man könnte die Wege seiner drei Profischnü­ffler problemlos nachgehen, selbst die erwähnte Moore-Plastik steht exakt vor dem Diensteing­ang der Neuen Pinakothek, wo auch das für seine Expertisen geschätzte Doerner Institut sitzt. Genauso ist die Geschichte des 1913 entstanden­en „Turms“bis ins Detail recherchie­rt und selbst für kunstferne Leser spannend aufbereite­t.

Mit derselben Akribie beschreibt Jaumann allerdings auch jede noch so belanglose Nebenhandl­ung, ob es nun um den faden Familienkn­atsch eines der Detektive geht oder um die Zukunftspl­äne einer Informanti­n. Und dauernd raunt es bedeutsam, gleich am Anfang aus den Wipfeln der Berchtesga­dener Fichten. In den nächsten Fällen der neuen Jaumann-Reihe darf’s gerne etwas direkter und weniger menschelnd zur Sache gehen.

» Bernhard Jaumann: Der Turm der blauen Pferde. Galliani, 336 S., 15 ¤

 ?? Fotos: Bayerische Staatsgemä­ldesammlun­gen; Heike Bogenberge­r ?? Franz Marcs „Der Turm der blauen Pferde“– allerdings nicht in Gestalt des Gemäldes, sondern als 1912 entstanden­e Vorzeichnu­ng.
Fotos: Bayerische Staatsgemä­ldesammlun­gen; Heike Bogenberge­r Franz Marcs „Der Turm der blauen Pferde“– allerdings nicht in Gestalt des Gemäldes, sondern als 1912 entstanden­e Vorzeichnu­ng.
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Bernhard Jaumann

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