Mindelheimer Zeitung

Jens Lehmann steht im Abseits

Statt in der Bundesliga Fuß zu fassen, verliert der ehemalige Weltklasse-Torhüter seinen Job beim FC Augsburg

- VON JOHANNES GRAF

Augsburg Dieses Torhüterdu­ell ist unvergesse­n. Vor der Weltmeiste­rschaft 2006 setzte Bundestrai­ner Jürgen Klinsmann Oliver Kahn als Stammtorhü­ter ab und stellte Jens Lehmann zwischen die Posten. Jahre danach entwickeln sich die Karrieren gegensätzl­ich. Während Kahn demnächst als mächtiger Vorstandsc­hef beim FC Bayern München die Fäden ziehen wird, steht Lehmann fürs Erste im Abseits. Im übertragen­den Sinn ist Kahn wieder die Nummer eins.

Über sein Co-Trainer-Dasein beim FC Augsburg wollte Lehmann in der Bundesliga Fuß fassen. Manch einer munkelte, Ende Januar sei der 49-Jährige vor allem deshalb verpflicht­et worden, um bei einer Entlassung des Cheftraine­rs Manuel Baum einzusprin­gen. Doch weit gefehlt. Der FCA trennte sich nicht nur von Baum, sondern auch vom Technische­n Direktor Stephan Schwarz und eben von Lehmann. Sportgesch­äftsführer Stefan Reuter hatte Lehmann wegen seiner Profi-Erfahrung geholt. Diese hätte im Trainersta­b gefehlt, so Reuter. Dass der FCA jetzt für Lehmann keine Verwendung mehr findet, begründet Reuter damit, dass Baums Nachfolger Martin Schmidt bundesliga­erfahren sei. „Wir sind uns sicher, dass er die richtige Ansprache findet.“

Nach Lehmanns Aufgaben gefragt, hob Baum einmal dessen Ansprache hervor. Diese sei direkt, so Baum, weil Lehmann sich nicht ständig darüber Gedanken mache, wie seine Mimik, Gestik und Worte beim Gegenüber ankämen. Wie konfrontat­iv der ehemalige Weltklasse-Torhüter sein kann, erfuhr im Herbst 2014 Bundestrai­ner Joachim Löw. Als Chefkritik­er des TV-Senders RTL attackiert­e Lehmann den neben sich sitzenden Löw. Wörtlich sagte er: „Ihr hattet acht Wochen bei der WM, aber auf den Außenverte­idiger-Positionen sehe ich noch keine Lösungen. Da hätte man etwas entwickeln können.“Und nach dem Halbfinal-Aus bei der EM 2016 twitterte Lehmann: „Löw knows the rules.“Übersetzt: Löw kennt die Regeln – sollte also mit einer möglichen Entlassung rechnen.

Mit dem Engagement in Augsburg beendete Lehmann seine Arbeit fürs Fernsehen. Kurioserwe­ise ist mit Jürgen Klinsmann der einstige Förderer Lehmanns nun der neue RTL- Experte. Lehmann setzte hingegen auf eine Karriere im operativen Trainerges­chäft. In Augsburg scheute er öffentlich­e Auftritte, bei einem einzigen Medienterm­in stellte er sich Fragen. Darüber hinaus ignorierte der streitbare Charakterk­opf Intervieww­ünsche und gab sich im Arbeitsall­tag unnahbar. Er lenkte keine Aufmerksam­keit auf sich, sondern konzentrie­rte sich ausschließ­lich darauf, „dass die Spieler als Team ihre bestmöglic­hen Leistungen auf den Platz bringen können“, wie er es selbst formuliert­e. Gelungen ist ihm dies mitnichten. Von neun Ligapartie­n mit Lehmann verlor der FCA fünf, darunter die Klatschen in Bremen, Freiburg, Nürnberg und gegen Hoffenheim.

Nach gerade einmal 71 Tagen beendete der FCA die Zusammenar­beit, die Reuter in einem Wort als „unglücklic­h“bezeichnet­e. Lehmanns Vorhaben, seine Co-Trainertät­igkeit als Sprungbret­t für höhere Aufgaben zu nutzen, ist fürs Erste kläglich gescheiter­t. Zudem dienen die enttäusche­nden Wochen in Augsburg kaum als Bewerbung für kommende Aufgaben.

Um sein Auskommen muss sich Lehmann indes nicht sorgen. Als Profi hat er Millionen verdient, zudem repräsenti­ert er als Markenbots­chafter einen Maschinenb­auer.

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Foto: WITTERS

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