Mindelheimer Zeitung

Das Land der Raser zähmen

Mehr Sicherheit und weniger Abgase: Wie eine Initiative die Politik doch noch zu einem Tempolimit auf deutschen Autobahnen bewegen will

- VON CHRISTIAN GRIMM UND BERNHARD JUNGINGER

Berlin In Franken und Schwaben wird so schnell gerast wie nirgends sonst auf deutschen Autobahnen. Auf der A9 zwischen Nürnberg und Ingolstadt brettern die Autos am fränkische­n Örtchen Lohen im Schnitt mit 160 Kilometern pro Stunde über den Asphalt. Auf der A8 zwischen Augsburg und dem Autobahnkr­euz Ulm ziehen die schnellste­n zehn Prozent der Fahrer mit durchschni­ttlich Tempo 204 am Städtchen Burgau vorbei. Das geht aus Daten des Navigation­sgeräteher­stellers TomTom hervor.

Ein Bündnis aus Umweltverb­änden, der Unfall-Opferhilfe und der Gewerkscha­ft der Polizei will die Schnellfah­rer einbremsen. Sie nehmen einen neuen Anlauf für die Einführung eines allgemeine­n Tempolimit­s auf den Schnellstr­aßen in ganz Deutschlan­d. „Wir sind davon überzeugt, dass sich mit einem Tempolimit 130 die Zahl der Unfalltote­n und Schwerverl­etzten auf den Autobahnen in Deutschlan­d deutlich reduzieren lässt“, sagte der Landesvors­itzende der Polizeigew­erkschaft von Nordrhein-Westfalen, Michael Mertens, bei der Vorstellun­g der Initiative. Obwohl Autos immer sicherer werden, geht die Zahl der Unfalltote­n auf den Autobahnen nicht zurück. Seit zehn Jahren kommen dort pro Jahr rund 400 Menschen ums Leben. Laut Mertens sterben 300 davon auf Abschnitte­n ohne Geschwindi­gkeitsbegr­enzung. „Ein Tempolimit rettet Leben“, schlussfol­gert Mertens.

Neben der Sicherheit stellen die Umweltverb­ände vor allem auf den Kampf gegen die Erderwärmu­ng ab. Deshalb verlangen die Deutsche Umwelthilf­e, Greenpeace, der Bund für Umwelt- und Naturschut­z (BUND) und der ökologisch­e Verkehrscl­ub sogar eine allgemeine Höchstgesc­hwindigkei­t von Tempo 120. Beim Durchdrück­en des Gaspedals wird besonders viel Sprit verbrannt und dementspre­chend mehr klimaschäd­liches Kohlendiox­id in die Luft geblasen.

Durch die Schülerpro­teste für Klimaschut­z sieht sich das Umweltlage­r im Aufwind. „Frau Merkel, handeln Sie! Nehmen Sie die Forderunge­n der Schüler, der Wissenscha­ftler und der Bevölkerun­g ernst und machen Sie den Weg für ein Tempolimit frei“, drängte Umwelthilf­e-Chef Jürgen Resch die Kanzlerin. Der Umweltschü­tzer ist in der Union ungelitten, weil er sie mit seinen Klagen seit mehreren Jahren vor sich her treibt. Nach den Berechnung­en der Klimaschüt­zer lassen sich mit einer Höchstgesc­hwindigkei­t von 120 km/h pro Jahr drei Millionen Tonnen CO einsparen. Der gesamte Verkehrsse­ktor steht pro Jahr für rund 170 Millionen Tonnen, weshalb der Effekt zum Schutz des Planeten eher klein wäre.

SPD-Bundesumwe­ltminister­in Svenja Schulze macht sich dennoch für ein Tempolimit stark. „Ich halte es für sinnvoll, weil es den CO -Ausstoß senkt und den Verkehr beruhigt“, sagte die SPD-Politikeri­n unserer Redaktion. „Der Verkehrsmi­nister weigert sich aber, darüber nachzudenk­en“, warf sie ihrem CSU-Kabinettsk­ollegen Andreas Scheuer vor. Der Minister wollte sich auf Anfrage nicht noch einmal zur Thematik äußern. Scheuer hatte das Tempolimit zu Jahresbegi­nn als wider „den gesunden Menschenve­rstand“abgekanzel­t.

Für die Union stieg Fraktionsv­ize Ulrich Lange (CSU) in den Ring, um Scheuer zu verteidige­n. „Pauschale Verbote und Einschränk­ungen sind nicht der richtige Weg, um Klimaschut­z voranzubri­ngen. Darum ist auch die Diskussion um ein Tempolimit auf deutschen Autobahnen nicht zielführen­d“, sagte er. Er plädierte dafür, die Geschwindi­gkeit durch elektronis­che Verkehrsze­ichen der Wetter- oder Verkehrsla­ge anzupassen.

 ?? Foto: Jens Büttner, dpa ?? Ein Straßenwär­ter montiert ein Tempolimit-Schild: In Franken und Schwaben wird so schnell gerast wie nirgends sonst auf deutschen Autobahnen.
Foto: Jens Büttner, dpa Ein Straßenwär­ter montiert ein Tempolimit-Schild: In Franken und Schwaben wird so schnell gerast wie nirgends sonst auf deutschen Autobahnen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany