Wo bleibt die Vernunft?
Hierzulande über eine Begrenzung der Höchstgeschwindigkeit auf Autobahnen sachlich zu diskutieren, ist unmöglich. Ein Tempolimit berührt die nationale Seele. Die freie Fahrt für freie Bürger auf den Autobahnen gehört zu Deutschland wie Bratwurst und Bier. Warum prägt gerade die Erlaubnis zum Rasen unsere Identität?
Die amerikanische New York Times lieferte vor kurzem die vielleicht beste Erklärung mit dem Blick von außen: Das Fahren ohne Fesseln ist die letzte Freiheit in einem ansonsten von Regeln eingeschnürten Land. Das Recht auf Bleifuß ist damit vergleichbar mit der Bedeutung des Rechts auf Waf
fen in den USA. Fast alle Deutschen halten es für wahnwitzig, dass sich jeder Amerikaner bis an die Zähne bewaffnen kann. Zehntausende Menschen sterben dort Jahr für Jahr durch Kugeln aus Schusswaffen. Die Vernunft gebietet es, den freien Besitz von Pistolen und Gewehren zu verbieten. Doch die Vernunft hat keine Chance in der Debatte.
Vernünftige Argumente sprechen auch für ein Tempolimit auf Autobahnen. Die Zahl der Unfälle könnte gesenkt werden, klimaschädliches Kohlendioxid würde eingespart. Die eigentliche Frage ist, warum man sich in einem Wagen aus Blech unter hoher Anspannung bei 200 Stundenkilometer auf einem schmalen Asphaltstreifen besonders frei fühlt?