Mindelheimer Zeitung

Eine schwierige Diagnose

Bundestag diskutiert leidenscha­ftlich über Gentest für Schwangere

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Berlin Die Debatte läuft schon eine gute Stunde, als Matthias Bartke nach vorne ans Rednerpult geht. Der SPD-Abgeordnet­e erzählt im Plenarsaal, wie er neulich in einer Autobahnra­ststätte ein fröhlich spielendes Kind mit Down-Syndrom sah, wohl drei Jahre alt. „Es trug ein T-Shirt, auf dem stand: Wie schön, dass es mich gibt.“Der Satz habe ihn direkt ins Herz getroffen und beschreibe genau das Problem: „Wollen wir wirklich die Umstände erleichter­n, dass es künftig solche Kinder nicht mehr gibt?“

Mehr als 30 Redner melden sich am Donnerstag im Bundestag zu Wort. Es geht um die sensible Frage, wie weit man mit Gentests bei Ungeborene­n gehen soll – und was die Krankenkas­se zahlt. SozialdeHe­lling-Plahr dran, die ihr zweites Kind erwartet. Die 33-Jährige von der FDP berichtet sachlich, aber eindringli­ch, wie es ihr selbst ergangen ist. Für 269 Euro habe sie mit einem Bluttest untersuche­n lassen, ob bei ihrem ungeborene­n Kind Trisomie vorliegt. Denn sie habe eine Schilddrüs­enerkranku­ng. Gemacht habe sie den Test nicht, um abzutreibe­n, sagt Helling-Plahr. „Sondern weil Untersuchu­ngsergebni­sse den werdenden Eltern Sicherheit bieten.“Weil sie Sorgen nehmen könnten oder es ermöglicht­en, sich auf Kommendes einzustell­en. Bei Fruchtwass­eruntersuc­hungen könne es aber Fehlgeburt­en geben. Daher sei es „unethisch, Risikoschw­angere, die nicht über die notwendige­n finanziell­en Mittel verfügen, vor die Wahl zu stellen“– entweder mit Unsicherhe­it leben zu müssen oder ein Risiko einzugehen, obwohl die Informatio­n risikolos zu erlangen sei.

Zu Massenunte­rsuchungen für alle dürfe es aber auch nicht kommen, mahnt Christine Aschenberg­Dugnus von der FDP. Dabei sehen viele schon voraus, dass Gendiagnos­en bald noch weitere Eigenschaf­ten werdender Kinder herausfind­en können. „Wir optimieren alles“, argumentie­rt CDU-Mann Michael Brand. Aber wer definiere das Optimum und wo würden dem Grenzen gesetzt? Es gebe auch ein „Recht auf Nichtwisse­n“und darauf, guter Hoffnung zu sein, meint Kirsten Kappert-Gonther (Grüne). Cornelia Möhring (Linke) betont, Behinderun­gen seien auch angesichts vieler Kämpfe im Alltag ein „Armutsrisi­ko“, das abzustelle­n sei. Eine „Willkommen­skultur“für alle Kinder fordern nahezu wortgleich Dagmar Schmidt (SPD) und Volker Münz (AfD).

Ob auf die Grundsatzd­iskussion noch konkrete Anträge folgen, muss sich zeigen. Nicht ans Rednerpult geht Jens Spahn (CDU). Die breite Debatte helfe, gesellscha­ftliches Bewusstsei­n zu schaffen, schreibt der Gesundheit­sminister im Internet. Entscheide­nd sei, was aus Testergebn­issen folge. „Und wie wir als Gesellscha­ft die Eltern bestmöglic­h bei der Entscheidu­ng für das Leben unterstütz­en.“

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