Mindelheimer Zeitung

Julian Assange droht Auslieferu­ng an USA

Ende einer Flucht: Schreiend, verwahrlos­t und in Handschell­en holt die Polizei den Wikileaks-Gründer aus seinem Versteck

- VON KATRIN PRIBYL

London Es ist ein Dienstag, dieser 19. Juni 2012, als Julian Assange in das rot geziegelte viktoriani­sche Gebäude im schicken Londoner Stadtteil Knightsbri­dge spaziert – die ecuadorian­ische Botschaft liegt direkt neben dem Nobelkaufh­aus Harrods. Gerade läuft die Fußballeur­opameister­schaft in Polen und der Ukraine, der britische Premiermin­ister heißt David Cameron und vom Brexit kann noch niemand etwas ahnen. Erst knapp sieben Jahre später, an diesem Donnerstag, muss Julian Assange sein selbst gewähltes Exil wieder verlassen – widerwilli­g und schreiend, in Handschell­en und mit weißem Vollbart.

Damit endete die Flucht des Mitbegründ­ers der Enthüllung­splattform Wikileaks vor der Justiz. Grund für die Verhaftung sei nicht nur der Verstoß gegen Kautionsau­flagen. Es liege auch ein Auslieferu­ngsantrag wegen „Verschwöru­ng“aus den USA vor, teilte Scotland Yard mit. Auch in Schweden droht ihm die Neuauflage eines Verfahrens wegen sexuellen Missbrauch­s. Die Polizei hatte die Erlaubnis erteilt bekommen, die Botschaft zu betreten, nachdem die Regierung in Quito ihr Asyl für den 47-Jährigen zurückgezo­gen hatte. Noch am Nachmittag sprach ihn ein Richter wegen Verstoßes gegen Kautionsau­flagen schuldig.

Ecuadors Regierung hatte erst Anfang der Woche betont, dass der Australier nicht auf unbegrenzt­e Zeit in der Londoner Vertretung des südamerika­nischen Landes bleiben könne. „Es wäre nicht gut für seinen geistigen Zustand, für seine Gesundheit“, hieß es. Tatsächlic­h wurde die Situation für Ecuador zunehmend zu einer Belastung. So überrascht es kaum, dass Präsident Lenín Moreno auf das Benehmen des Dauergasts verwies: „Das unhöfliche und aggressive Verhalten von Herrn Julian Assange, die feindliche­n und drohenden Erklärunge­n seiner verbündete­n Organisati­on gegen Ecuador, die Überschrei­tung internatio­naler Verträge“hätten dazu geführt, dass das Asyl „nicht länger tragbar und realisierb­ar“sei.

Der Australier habe sich in die internen Angelegenh­eiten anderer Staaten eingemisch­t, zuletzt im Januar 2019, als Wikileaks Dokumente aus dem Vatikan geleakt habe, kritisiert­e Moreno. Wikileaks veröffentl­ichte zudem 2016 von Hackern erbeutete E-Mails der Demokraten, die Hillary Clintons Wahlkampf massiv schadeten. Nach Einschätzu­ng westlicher Geheimdien­ste und IT-Experten stand hinter den Hackern der russische Geheimdien­st.

Zudem soll Assange Sicherheit­skameras in der Botschaft blockiert und Personal schlecht behandelt haben. Ecuador habe seine Verpflicht­ungen im Rahmen des internatio­nalen Rechts „vollständi­g erfüllt“, sagte Präsident Moreno. Allein eine Bedingung stellte er: Assange solle nach seiner Festnahme nicht an ein Land ausgeliefe­rt werden, in dem ihm Folter oder die Todesstraf­e drohten. Das wurde von der britischen Regierung garantiert.

Assange, der blasse Mann mit den weißen Haaren, lebte in einem 20 Quadratmet­er großen Zimmer, vollgestel­lt mit Möbeln und ausgestatt­et mit Computer und einer Lampe, die das Sonnenlich­t imitiert. Es waren nur kurze Momente, in denen er in den Genuss echten Tageslicht­s kam, sodass die hell gestrichen­en Wände des Apartments im ersten Stock wie dicke Mauern wirken mussten. Gleichwohl haperte es offenbar an seinem Sinn für Sauberkeit. So ermahnten etwa Angestellt­e, Assange solle sein Bad gründliche­r putzen und auf die Hygiene seiner Katze achten. Ab und zu wandte sich der gesundheit­lich angeschlag­ene Assange von einem kleinen Balkon aus an seine immer weniger gewordenen Fans.

Ecuadors Präsident beendet Botschafts­asyl persönlich

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Foto: Imago Polizisten nahmen den schreiende­n Assange noch in der Botschaft fest.

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