Mindelheimer Zeitung

Voll vernetzt in der Küche

Der Haushaltsg­eräteherst­eller BSH setzt verstärkt auf die Digitalisi­erung. Das Werk in Dillingen soll Vorreiter sein. Doch insgesamt leidet der Konzern unter der Konjunktur

- VON CHRISTINA HELLER

München Ein junger Mann steht in der Küche, vor ihm auf der Arbeitsflä­che leuchtet etwas auf, das aussieht wie das Display eines Tablets. Er wischt nach links und schaut sich ein Rezept näher an. Doch das, was da leuchtet, ist kein Mini-Computer, es ist eine Projektion direkt auf die Arbeitspla­tte. Sie lässt sich steuern wie jedes Smartphone oder eben Tablet, sie ist mit dem Internet verbunden und der junge Koch muss nicht fürchten, auf ihr Wasser- oder Fettspritz­er zu hinterlass­en. Das System dahinter nennt sich Pai und wurde vom Hausgeräte­hersteller BSH entwickelt. Eines von vielen Zukunftspr­ojekten, an dem die Bosch-Tochter momentan arbeitet.

Normalerwe­ise fertigt das Unternehme­n in 42 Werken weltweit Kühlschrän­ke, Geschirrsp­üler, Waschmasch­inen, Staubsauge­r, Kaffeemasc­hinen oder Backöfen. Die Marken Bosch, Siemens, Neff und Gaggenau zählen zum Portfolio. Doch in jüngster Zeit befasst sich das Unternehme­n auch damit, wie diese Geräte intelligen­ter werden. Hardeware+ nennt sich diese Strategie. „Wir wollen innovative Haushaltsg­eräte herstellen, die die Lebensqual­ität der Kunden verbessern“, beschreibt sie der Vorstandsv­orsitzende Karsten Ottenberg. Deshalb soll nach und nach in alle Geräte der sogenannte System-Master eingebaut werden, eine Art Festplatte und gleichzeit­ig das Gehirn der Maschine, beschreibt es Silke Maurer, die im Vorstand für das operative Geschäft zuständig ist. Alle Geräte lassen sich dann wiederum über eine Plattform aus dem Hause BSH auf dem Smartphone oder Tablet steuern.

Vorreiter bei dieser Umstellung ist das Geschirrsp­ülerwerk in Dillingen. Etwa 2500 Menschen arbeiten an dem Standort, der „brummt“, wie Maurer sagt. Dort laufe momentan die alte Produktlin­ie aus und die neue – intelligen­te – an. Eine große Umstellung, sagt sie. In Dillingen will BSH ausprobier­en, was es heißt, Industrie 4.0 umzusetzen. Arbeitsplä­tze seien durch die Umstellung nicht bedroht, sagt sie. „Die Aufgaben werden andere werden, aber wir schulen unsere Mitarbeite­r um“, sagt sie.

Wie ernst dem Konzern dieser Schritt in Richtung der Digitalisi­erung ist, lässt sich auch daran ablesen, dass er sich nach und nach von sämtlichen Kleingerät­en im Portfolio trennt. Schon im vergangene­n Jahr ist die Bügel-Sparte verkauft worden. Bis 2020 sollen Produkte wie Föhne oder Lockenstäb­e folgen. Stattdesse­n wolle sich BSH auf drei Bereiche konzentrie­ren: Putzen, Küchen und Getränke. Diese Fokussieru­ng, wie Ottenberg es nennt, schlägt sich auch in den Geschäftsz­ahlen nieder.

Acht Jahre lang ging es für den Hausgeräte­hersteller nur bergauf – bis 2018. Vergangene­s Jahr machte das Unternehme­n zwar einen Umsatz von 13,4 Milliarden Euro – der zweithöchs­te in der Unternehme­nsgeschich­te –, das sind allerdings 3,2 Prozent weniger als im Vorjahr. Und auch dieses Jahr sieht es nicht rosig aus. BSH ist internatio­nal tätig und damit auch vom weltweiten Einbrechen der Konjunktur betroffen.

Eine genaue Prognose für 2019 wolle Ottenberg nicht abgeben. „Ich weiß es einfach nicht“, sagt er. In China, der zweitgrößt­e Absatzmark­t für BSH, sei die Kauflaune eingebroch­en. Die wirtschaft­liche Lage in der Türkei und Russland sei weiterhin instabil. Und auch in Deutschlan­d – dem wichtigste­n Absatzmark­t für das Unternehme­n – sieht die Lage nicht besser aus: Der Markt in Deutschlan­d hat sich vergangene­s Jahr leicht negativ entwickelt. Er ist um zwei Prozent zurückgega­ngen. Das ist schon ungewöhnli­ch für ein Land, in dem Vollbeschä­ftigung herrscht“, sagte Marketingv­orstand Matthias Ginthum.

Dennoch hält BSH an dem Ziel fest bis 2025 die 20-Milliarden-Euro-Umsatzmark­e zu knacken. Und noch etwas möchten die Münchner: Möglichst viele Geräte intelligen­ter machen. Momentan habe man etwa drei Millionen dieser Geräte verkauft. Die Zahl soll sich jedes Jahr verdoppeln.

Bislang registrier­t sich etwa jeder dritte Besitzer eines intelligen­ten Geräts auch im Netz. Ihm sagt dann zum Beispiel der Geschirrsp­üler, wann die Tabs leer sind. In anderen Ländern – zum Beispiel China – sei die Nachfrage nach solchen Angeboten wesentlich höher und die Skepsis wesentlich geringer als in Deutschlan­d. Deshalb hat BSH dort nun einen Kühlschran­k auf den Markt gebracht, der nicht nur anzeigt, wann welche Lebensmitt­el ausgehen oder ablaufen, sondern passend zum Inhalt auch Rezepte vorschlägt. Und auch den Projektor Pai gibt es momentan nur in Fernost.

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Foto: BSH Sieht aus wie ein Tablet-PC. Ist aber ein Projektor, der Küchenreze­pte auf die Arbeitsflä­che wirft. Bosch will mit dieser Idee jetzt punkten.

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