Mindelheimer Zeitung

Ein Facebook in Staatshand?

Die Bundesregi­erung denkt laut über den Aufbau einer sozialen Plattform im Internet nach. Sie soll den Amerikaner­n Konkurrenz machen

- VON CHRISTIAN GRIMM

Mitten in die Schwächeph­ase des US-Giganten Facebook platzt die Bundesregi­erung mit der Idee für ein eigenes öffentlich-rechtliche­s Facebook. Um die Internetnu­tzer vor dem Missbrauch ihrer Daten und Totalüberw­achung zu schützen und sie mit qualitativ hochwertig­en Informatio­nen zu versorgen, spielt die Bundesregi­erung den Aufbau einer eigenen Plattform durch. Das verkündete­n Forschungs­ministerin Anja Karliczek (CDU) und Umweltmini­sterin Svenja Schulze (SPD) am Donnerstag in Berlin. Erst vergangene Woche war Facebook-Chef Mark Zuckerberg in die deutsche Hauptstadt gekommen, um den wegen Datenskand­alen und Wahlbeeinf­lussung schwer ramponiert­en Ruf seines Unternehme­ns aufzupolie­ren.

Nun geht die Regierung in die Offensive. „Ich glaube, dass wir bei der digitalen Infrastruk­tur viel mehr brauchen als nur die Netze“, sagte Schulze. Die Ministerie­n würden zum Beispiel auf einem Schatz von Daten sitzen, den man der Öffentlich­keit zur Verfügung stellen könne. Die Forschungs- und Bildungsmi­nisterin schwärmte von einer Plattform, wo die Menschen gezielt Informatio­nen zur Weiterbild­ung in der sich rapide wandelnden Berufswelt bekommen könnten. Das Kabinett ist laut den Ministerin­nen bereit, sich das Geld kosten zu lassen. „Wir werden sie (die Plattform) dann bewerben müssen, dass es erkannt wird, dass es so etwas gibt“, sagte Karliczek. „Wenn wir da Qualitätss­tandards setzen, dann ist das genau das, was uns im Wettbewerb wieder nach vorne bringen kann“, begründete sie die Hoffnung auf ein deutsches Facebook.

Der Vorstoß der beiden Politikeri­nnen überrascht. Gegenüber den Giganten aus den USA ist Europa weit abgeschlag­en. Deshalb war es bislang die Strategie die Bundesregi­erung, sich auf Vernetzung und Digitalisi­erung der Industrie zu konzentrie­ren. Bei sozialen Medien erscheint es aussichtsl­os, den meilenweit­en Rückstand aufholen zu wollen. Schulze und Karliczek ließen offen, ob der Staat die Plattform selber mit Inhalten füttern und verwalten will oder sie zum Beispiel in die Obhut der öffentlich-rechtliche­n Rundfunkan­stalten der ARD gibt.

ARD- Intendant Ulrich Wilhelm fordert schon länger eine europäisch­e Alternativ­e zu den amerikanis­chen Internetri­esen in der Regie der öffentlich-rechtliche­n Sender. Sie sollen der Marktplatz einer demokratis­chen Öffentlich­keit ohne Falschnach­richten, Hasskommen­taren und die Absaugung persönlich­er Daten sein. Natürlich würden die Öffentlich-Rechtliche­n dafür Gebühren brauchen und bekämen dadurch ein neues zukunftstr­ächtiges Betätigung­sfeld neben Radio und Fernsehen.

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Foto: Bernd von Jutrczenka, dpa Forschungs­ministerin Anja Karliczek plant eine neue soziale Plattform.

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