Ein Facebook in Staatshand?
Die Bundesregierung denkt laut über den Aufbau einer sozialen Plattform im Internet nach. Sie soll den Amerikanern Konkurrenz machen
Mitten in die Schwächephase des US-Giganten Facebook platzt die Bundesregierung mit der Idee für ein eigenes öffentlich-rechtliches Facebook. Um die Internetnutzer vor dem Missbrauch ihrer Daten und Totalüberwachung zu schützen und sie mit qualitativ hochwertigen Informationen zu versorgen, spielt die Bundesregierung den Aufbau einer eigenen Plattform durch. Das verkündeten Forschungsministerin Anja Karliczek (CDU) und Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) am Donnerstag in Berlin. Erst vergangene Woche war Facebook-Chef Mark Zuckerberg in die deutsche Hauptstadt gekommen, um den wegen Datenskandalen und Wahlbeeinflussung schwer ramponierten Ruf seines Unternehmens aufzupolieren.
Nun geht die Regierung in die Offensive. „Ich glaube, dass wir bei der digitalen Infrastruktur viel mehr brauchen als nur die Netze“, sagte Schulze. Die Ministerien würden zum Beispiel auf einem Schatz von Daten sitzen, den man der Öffentlichkeit zur Verfügung stellen könne. Die Forschungs- und Bildungsministerin schwärmte von einer Plattform, wo die Menschen gezielt Informationen zur Weiterbildung in der sich rapide wandelnden Berufswelt bekommen könnten. Das Kabinett ist laut den Ministerinnen bereit, sich das Geld kosten zu lassen. „Wir werden sie (die Plattform) dann bewerben müssen, dass es erkannt wird, dass es so etwas gibt“, sagte Karliczek. „Wenn wir da Qualitätsstandards setzen, dann ist das genau das, was uns im Wettbewerb wieder nach vorne bringen kann“, begründete sie die Hoffnung auf ein deutsches Facebook.
Der Vorstoß der beiden Politikerinnen überrascht. Gegenüber den Giganten aus den USA ist Europa weit abgeschlagen. Deshalb war es bislang die Strategie die Bundesregierung, sich auf Vernetzung und Digitalisierung der Industrie zu konzentrieren. Bei sozialen Medien erscheint es aussichtslos, den meilenweiten Rückstand aufholen zu wollen. Schulze und Karliczek ließen offen, ob der Staat die Plattform selber mit Inhalten füttern und verwalten will oder sie zum Beispiel in die Obhut der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der ARD gibt.
ARD- Intendant Ulrich Wilhelm fordert schon länger eine europäische Alternative zu den amerikanischen Internetriesen in der Regie der öffentlich-rechtlichen Sender. Sie sollen der Marktplatz einer demokratischen Öffentlichkeit ohne Falschnachrichten, Hasskommentaren und die Absaugung persönlicher Daten sein. Natürlich würden die Öffentlich-Rechtlichen dafür Gebühren brauchen und bekämen dadurch ein neues zukunftsträchtiges Betätigungsfeld neben Radio und Fernsehen.