Waigel, Stoiber und die Wahrheit
Wer mag, der kann den Titel der Autobiografie des früheren CSU-Chefs und Bundesfinanzministers Theo Waigel „Ehrlichkeit ist eine Währung“als Abwandlung des alten Sprichworts „Ehrlich währt am längsten“lesen. Und weil das Wort „wahr“und die Worte „währen“und „Währung“denselben Ursprung haben, war es gestern auch nicht weiter verwunderlich, dass Theo Waigel sich bei der Präsentation seines Buches in München der Frage stellen musste, wie er es denn in seiner aktiven Zeit so gehalten hat mit der Wahrheit.
Die Antwort fiel erfrischend ehrlich aus. Waigel gab zu, einen Journalisten einmal knallhart belogen zu haben – aber nur, weil er als Finanzminister musste. Die Absicht, eine Währung auf- oder abzuwerten, könne man nun mal nicht vorab den Finanzmärkten kundtun, sonst verpufft der Effekt, Spekulanten verdienen sich eine goldene Nase und alle anderen zahlen drauf. Als Katholiken habe es ihn dennoch geplagt und erst als ein Kardinal ihm bescheinigte, dass es in einem derart speziellen Fall sogar seine Pflicht sei zu lügen, hätte sich das schlechte Gewissen verzogen.
Was ein Finanzminister darf, das freilich darf ein Pensionär noch lange nicht. Die Frage, ob er denn seinem alten Rivalen Edmund Stoiber sein neues Buch geschickt habe, erforderte also eine ehrliche Antwort. Ein schlichtes Nein hätte genügt. Doch Waigel beließ es nicht dabei und sagte: „Ich glaube, dass es angemessen ist, wenn er es kauft.“Damit war wahrheitsgemäß auch gleich noch die Frage beantwortet, wie es den beiden Herren heute so miteinander geht.