Bayern lehnt Impfpflicht gegen Masern ab
Gesundheit Warum der Freistaat der Haltung anderer Bundesländer nicht folgen will
Berlin In Bayern soll es nach dem Willen der Staatsregierung keine verpflichtenden Impfungen gegen Masern geben. „Es ist wichtig, die Masern-Impfquoten weiter zu erhöhen. Aber ich bin skeptisch, ob eine Masern-Impfpflicht für Kinder der richtige Weg ist“, sagte Gesundheitsministerin Melanie Huml auf Anfrage unserer Redaktion. Überzeugung sei besser als Zwang. „Eine allgemeine Impfpflicht sollte nur als letzte Möglichkeit in Erwägung gezogen werden. Deshalb setze ich zunächst weiter auf intensive Beratung und Aufklärung“, erklärte die CSUPolitikerin, die selbst Ärztin ist.
Der Freistaat positioniert sich damit gegen die Bundesregierung und andere Bundesländer. Der Brandenburger Landtag hat am Freitag eine Impfpflicht beschlossen. Eltern müssen ihre Kinder gegen Masern immunisieren lassen, wenn diese einen Kindergarten oder eine Tagesmutter besuchen. Das hochansteckende Virus führt bei Ansteckung zu Ausschlag mit roten Flecken und Fieber. Es kann aber auch lebensbedrohliche Lungen- und Gehirnentzündungen auslösen. Übertragen werden die Erreger durch Husten, Niesen oder direkten Körperkontakt. Um vollständig geschützt zu sein, brauchen Kleinkinder zwei Impfungen zwischen 12 und 23 Monaten. Erreicht die erste Dosis noch einen hohen Anteil der Kinder, geht die Quote bei der zweiten Spritze zurück.
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn arbeitet an einer deutschlandweiten Impfpflicht gegen die Krankheit in Kindergärten und Schulen. Dem Vorschlag des CDUPolitikers hat sich Bundesfamilienministerin Franziska Giffey angeschlossen. „Staatliches Handeln ist gefragt, wenn das Risiko, andere Kinder in Kindergärten, Schulen oder in anderen Einrichtungen zu gefährden, nicht anders in den Griff zu bekommen ist“, sagte die SPDPolitikerin. Auch Nordrhein-Westfalen prüft die Einführung.
Nach den Daten der Weltgesundheitsorganisation haben sich vergangenes Jahr in Europa inklusive Russland, der Ukraine, der Türkei und Israel knapp 83000 Menschen mit Masern infiziert – so viele wie zuletzt vor zehn Jahren. Im Vergleich zu 2017 stieg die Zahl der Erkrankungen um das Dreifache, 72 Kinder und Erwachsene starben. Deutschland hat sich gegen den Trend entwickelt: Nach 930 Masernfällen 2017 wurden im vergangenen Jahr laut Robert-Koch-Institut rund 540 Fälle registriert.
Dem Freistaat ist es mit intensiver
„Eine allgemeine Impfpflicht sollte nur als letzte Möglichkeit in Erwägung gezogen werden.“
Bayerns Gesundheitsministerin Melanie Huml
Aufklärungsarbeit gelungen, die Zahl der doppelt gegen Masern geimpften Kinder deutlich zu erhöhen. Mittlerweile verfügen laut Gesundheitsministerin Huml 92 Prozent über den zweifachen Impfschutz. Im Schuljahr 2003/04 seien es nur 44 Prozent gewesen. Um die Krankheit vollständig zu beseitigen, halten Mediziner eine Impfquote von 95 Prozent für notwendig.
Rechtlich stünde eine Impfpflicht nach Einschätzung des wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages im Übrigen auf wackeligem Fundament. Das Grundgesetz schützt das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Juristen zweifeln, ob der Eingriff in dieses Grundrecht mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit vereinbar ist. Sie kommen in ihrem Gutachten aus dem Jahr 2016 aber zum Schluss, dass ein Impfzwang „verfassungsrechtlich gerechtfertigt erscheinen kann“.
Wie die DDR Krankheiten mit der Impfpflicht nahezu ausrotten konnte, erfahren Sie in der Politik.