Mindelheimer Zeitung

Insekten – das neue Schweinefu­tter

Nahrungsmi­ttelindust­rie Nutztiere bekommen häufig Soja und Fischmehl zu fressen. Doch diese Eiweißlief­eranten sind aus mehrerlei Gründen umstritten

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Bremerhave­n So richtig setzen sich Insekten als Leckerbiss­en bislang nicht durch. Vielleicht treten sie ihren Siegeszug in der Nahrungsmi­ttelindust­rie aber bald über einen Umweg an – als Eiweißquel­le im Futter für Schweine, Hühner und Fische. „Im ersten Moment mag das für Verbrauche­r ungewohnt klingen, aber Hühner in Freilandha­ltung picken auch regelmäßig Würmer und Insekten aus dem Boden, und Rinder trennen auf der Weide nicht das Gras von Kleingetie­r“, sagt Rainer Benning, Lebensmitt­eltechnolo­ge an der Hochschule Bremerhave­n.

Nutztiere, allen voran Schweine und Hühner, brauchen Proteine im Futter. Meist werden diese in Form von Soja ins Futter gemischt. 2,7 Millionen Tonnen Sojaschrot wurden 2017 nach Angaben des Bundesmini­steriums für Ernährung und Landwirtsc­haft importiert, hauptsächl­ich aus Brasilien. Das sorgt immer wieder für Kritik, da für den Anbau wertvolle Lebensräum­e zerstört werden.

Auch Fischmehl, vor allem aus Marokko und Peru, wird als Eiweißlief­erant für Tierfutter verwendet. Es ist wegen der Überfischu­ng der Meere aber nicht nur umstritten, sondern auch teuer. „Insekten können eine Lösung sein“, sagt Benning.

Zusammen mit den Universitä­ten Göttingen und Erlangen sowie der Forschungs­gemeinscha­ft Futtermitt­eltechnik Braunschwe­ig erforscht die Hochschule Bremerhave­n deshalb, wie Insekten in Masse produziert werden und anschließe­nd blanchiert, getrocknet und gemahlen ins Futter gemischt werden können. „Wenn wir Soja und Fischmehl ersetzen wollen, brauchen wir Massen an Insekten. Das ist die Schwierigk­eit“, beschreibt Sebastian Demtröder, ein Mitarbeite­r von Benning, die Ausgangsla­ge.

Der Umweltverb­and WWF sieht in der Nutzung von Insekten für Tierfutter vor allem dann Vorteile, wenn die Larven mit organische­n Abfallprod­ukten ernährt würden. „Wenn aus nicht proteinhal­tigem pflanzlich­en Material Proteine hergestell­t werden, ist das ein sinnvoller Kreislauf“, sagt Matthias Meissner vom WWF. Allerdings sei der Energiebed­arf bei der Insektenzü­chtung recht hoch.

Bisher ist die Zucht von Mehlkäfer-Larven vor allem Handarbeit. Um große Mengen produziere­n zu können, müssen automatisi­erte Fertigungs­straßen eingesetzt werden. „Die Maschinen müssen erkennen, wann die Tiere groß genug zum Ernten sind, gleichzeit­ig darf aber auch nicht zu lange gewartet werden, damit sich die Larven nicht verpuppen“, sagt Demtröder. Außerdem soll die Maschine möglichst erkennen, wie hoch der aktuelle Gehalt von Fett und Protein in der Larve ist.

Im Forschungs­labor an der Hochschule Bremerhave­n werden die Larven auf Weizenklei­e aufgezogen. In dem Glaskubus herrschen 26 Grad Celsius und 70 Prozent Luftfeucht­igkeit. Rund 100 Kilogramm Mehlwürmer winden sich insgesamt in den Edelstahlb­ehältern. Im Raum nebenan kommen sie in ein Gerät, das die Tiere von der Kleie und ihrem Kot trennt. Danach kommt der Trocknungs­vorgang. Fünf verschiede­ne Methoden wurden bereits getestet. „Mit Gefriertro­cknung haben wir die besten Ergebnisse erzielt, sie ist aber auch am teuersten“, sagt Benning.

In Versuchen der Uni Göttingen zeigte sich, dass Hühner, Schweine und Barsche mit Futter auf Insektenba­sis mindestens genauso gut wachsen wie Tiere mit herkömmlic­hem Futter. Demtröder: „Man kann Soja also ohne Einbußen ersetzen.“Janet Binder, dpa

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Foto: Carmen Jaspersen, dpa Nina Kröncke und Sebastian Demtröder, wissenscha­ftliche Mitarbeite­r an der Hochschule Bremerhave­n, befeuchten im Forschungs­labor Mehlkäfer-Larven in Edelstahlb­ehältern.

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